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Kategorie: Anwalt Sozialrecht , 09.02.2024 (Lesedauer ca. 5 Minuten, 10916 mal gelesen)

Bürgergeld und Schule: Welche Kosten werden übernommen?

Kinder in einer Schulklasse melden sich Kinder in einer Schulklasse melden sich © freepik - mko

Klassenfahrten, Schulbücher, Nachhilfe oder Mittagessen in der Schule: Der Schulbesuch der Kinder ist für Familien, die Sozialleistungen in Anspruch nehmen müssen, mit großen finanziellen Anstrengungen verbunden. Doch wann erhalten Schüler Bürgergeld? Wie viel Bürgergeld gibt es für Schüler? Und werden Schülern zusätzlich zum Bürgergeld auch die Kosten für Mittagessen, Klassenfahrten oder Nachhilfe gezahlt?

Wann erhalten Schüler Bürgergeld?


Eltern erhalten Bürgergeld für ihre Kinder als Schüler, wenn sie selbst einen Anspruch auf Bürgergeld haben und die Kinder zu ihrer Bedarfsgemeinschaft gehören. Wichtig ist also, dass die Kinder im Haushalt der Eltern leben und von diesen betreut werden. Ob sie tatsächlich zur Schule gehen spielt keine Rolle.

Schüler mit einem Alter zwischen 15 Jahren und dem Renteneintrittsalter haben einen selbstständigen Anspruch auf Bürgergeld, wenn sie hilfebedürftig und erwerbsfähig sind, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben und ihre Ausbildung nicht nach dem BAföG förderungsfähig ist. Voraussetzung ist also ein Ablehnungsbescheid nach dem BAföG. BAföG-Leistungen sind gegenüber dem Bürgergeld vorrangig.

Neben dem Bürgergeld erhalten Eltern für ihre Schüler auch Leistungen zur Bildung und Teilhabe.

Wie und wo muss man Bürgergeld für Schüler beantragen?


Das Bürgergeld für Schüler muss beim zuständigen Jobcenter beantragt werden. Dies kann vor Ort geschehen oder der Antrag kann online oder postalisch gestellt werden.

Wie viel Bürgergeld erhalten Schüler?


Das Bürgergeld für Schüler setzt sich aus einem Regelsatz, den Kosten der Unterkunft und ggfs. Mehrbedarfe zusammen. Der Regelsatz wird bestimmt durch das Alter, den Familienstand und die Lebenssituation des Schülers.

Kinder/Schüler von 6 bis 13 Jahren erhalten monatlich einen Regelsatz von 390 Euro. Kinder ab 14 Jahre stehen 471 Euro monatlich zu. Volljährige Kinder bis zum 24 Lebensjahr, die im Haushalt der Eltern leben, erhalten 451 Euro. Alleinerziehende volljährige Schüler haben einen Anspruch auf 561 Euro pro Monat. Bei volljährigen Paaren hat jeder Partner einen Anspruch auf 506 Euro Bürgergeld im Monat. Zusätzlich werden Miet- und Heizkosten in angemessener Höhr übernommen.

Zusätzlich erhalten Schüler, die in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur, Musik und Geselligkeit, aktiv sind eine monatliche Pauschale von 15 Euro für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft.

Wichtig: Haben Schüler eigenes Einkommen oder Vermögen wird das auf das Bürgergeld angerechnet, wenn die entsprechenden Freibeträge überschritten wurden.

Wird die Schulausstattung vom Jobcenter bezahlt?


Jedem Schüler, der Bürgergeld bezieht, steht pro Kalenderjahr 195 Euro für die Schulausstattung zu. Mit diesem Geld sollen etwa die Kosten für den Schulranzen, Sportzeug, Taschenrechner, Schreibmaterial oder Kunstmaterialien bestritten werden. Dieses Geld für Schulbedarf muss nicht gesondert beantragt werden. Auch müssen keine Nachweise über die getätigten Ausgaben von den Eltern erbracht werden. Die Auszahlung wird gesplittet: zum 1. August erhält der Schüler 130 Euro und zum 1. Februar 65 Euro.

Erhalten sozialschwache Schüler finanzielle Unterstützung bei Klassenfahrten und Schulausflügen?


Schüler aus einkommensschwachen Familien sollen gesellschaftlich nicht ausgegrenzt werden. Daher können Eltern die Kosten für Schulausflüge und Klassenfahrten beim Jobcenter geltend machen.

Bei mehrtägigen Klassenfahrten muss daher das Jobcenter die Kosten übernehmen, entschied das Bundessozialgericht (Az. B 14 AS 1/09 R). Unter mehrtägigen Klassenfahrten versteht das Gericht übrigens mindestens eine Übernachtung außerhalb der elterlichen Wohnung.

So entschied auch das Hessische Landessozialgericht (LSG) (Az. L 7 AS 409/11) und verurteilte das Jobcenter zur Übernahme aller Kosten, die über die im Landesschulrecht vorgesehenen Kosten für Klassenfahrten hinausgehen. Dabei ist es unerheblich, ob die Klassenfahrt im Klassenverband durchgeführt wird (Sozialgericht (SG) Dortmund, Az. S 29 AS 209/08) oder wie viele Mitschüler an der Klassenfahrt teilnehmen (SG Speyer, Az. S 3 AS 643/06).

Der Anspruch auf Kostenübernahme einer Studienfahrt besteht auch dann, wenn der Schüler keiner Schulpflicht mehr unterliegt, so das SG Dortmund (Az. S 33 AS 152/05). In einer weiteren Entscheidung (Az. S 29 AS 209/08) stellt es klar, dass auch die Kosten für eine Teilnahme eines Schülers an einem Streitschlichtungsseminar vom Jobcenter übernommen werden müssen. Das Seminar sei wie eine Schulfahrt zu betrachten.

Ein Schulskikurs ist ebenfalls eine Klassenfahrt, die vom Jobcenter finanziert werden muss, entschied das SG Halle (Az. S 17 AS 109/07). Gleiches gilt für ein Streitschlichtungsseminar, so das SG Dortmund (Az. S 29 AS 209/08).

Ein Schüleraustausch, der nicht von der Lehrer- und Schulkonferenz beschlossen wurde und somit nicht im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen stattfindet, ist nicht als mehrtägige Klassenfahrt anzusehen. Ein Anspruch auf Sozialleistungen scheidet in diesem Fall aus, entschied das SG Stuttgart (Az. S 12 AS 4934/17 ER).

Das SG Wiesbaden (Az. S15 AS 736/09) entschied, dass eine Schülerin, die ein Auslandsjahr an einer englischen Schule absolvierte, vom Jobcenter nicht zur Rückzahlung der geleisteten Sozialleistungen verpflichtet werden kann. Sinnvoller Bildungserwerb dürfe bei einem sozialschwachen Schüler nicht dadurch erschwert werden, dass Leistungen entzogen werden.

Übernimmt das Jobcenter die Kosten für Nachhilfe ?


Das Jobcenter übernimmt die Kosten für Nachhilfe, wenn diese geeignet ist um die schulrechtlich festgelegten Lernziele zu erreichen. Die Kosten für die Nachhilfe müssen allerdings angemessen sein.

In der Vergangenheit wurde die Frage, ob die Kosten für Nachhilfe vom Jobcenter übernommen werden müssen, von den Gerichten unterschiedlich entschieden. Bei Schülern mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche, die dauerhaft Nachhilfe erhalten, wird die Kostenübernahme in der Regel gewährt (Sächsische LSG, Az. L 2 AS 1285/14 B ER; SG Braunschweig, Az. S 17 AS 4125/12). Die Gerichte berufen sich in ihrer Begründung auf die vom Bundesverfassungsgericht verankerte Chancengleichheit im Hinblick auf die Schulausbildung, aus der resultiert, dass das Jobcenter einen zusätzlichen Bedarf an Lernförderung mit zusätzlichen Kosten abdecken muss.

Liegt kein besonderer Förderungsbedarf vor und ist der Schüler auch nicht versetzungsgefährdet, muss das Jobcenter die Kosten für Nachhilfe nicht übernehmen, entschied das SG Düsseldorf (Az. S 21 AS 1690/15). Es mussten seiner Ansicht nach nur dann die Kosten für Nachhilfeunterricht übernehmen werden, wenn er zur Verwirklichung von wesentlichen Lernzielen notwendig ist. Die Versetzung sei ein wesentliches Lernziel, das Erreichen möglichst guter Noten für einen Schulabschluss nicht.

Auch das SG Wiesbaden (Az. S 23 AS 899/11 ER) billigte die Übernahme der Nachhilfekosten durch das Jobcenter nur dann zu, wenn es sich um eine kurzfristige Hilfe für den Schüler handelt, die zur Erreichung des Klassenziels geeignet und erforderlich ist.
Auch das Hessische LSG (Az. L 9 AS 192/14) gewährt eine Kostenübernahme von Nachhilfe-Unterricht erst, wenn beim Schüler eine Versetzungsgefährdung gegeben ist. Die Note befriedigend im Fach Englisch rechtfertige noch keinen Anspruch Zahlung von Nachhilfe durch das Jobcenter.

Muss das Jobcenter Therapiekosten bei Lese-Rechtschreibschwäche eines Schülers zahlen?


Das LSG Niedersachsen (Az. L 7 AS 43/12 B ER) hat klargestellt, dass ein Schüler mit einer anerkannten Lese-Rechtschreibschwäche einen Anspruch auf außerschulische Lernförderung hat.

Auch das SG Marburg (Az. 5 AS 213/12 ER) hat entschieden, dass ein Schüler mit Legasthenie einen Anspruch auf Kostenübernahme einer LRS-Therapie hat.

Bekommen sozialschwache Schüler das Mittagessen in der Schule bezahlt?


Schüler, die eine Tageseinrichtung besuchen, haben einen Anspruch auf Kostenübernahme für das Mittagessen in der Schule, wenn die Schulverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird und gemeinschaftlich erfolgt oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. Die Kosten für Essen vom Kiosk oder von einer Cafeteria sind damit nicht abgedeckt.

Wer trägt die Beförderungskosten für den Weg zur Schule?


Die tatsächlich anfallenden Beförderungskosten für Schulbus oder öffentliche Verkehrsmittel zum Erreichen der nächstgelegenen Schule werden vom Jobcenter übernommen. Als nächstgelegene Schule gelten auch Schulen, die aufgrund ihres besonderen Profils, etwa im Sport, beim Sprachunterricht oder im musischen Bereich, vom Schüler ausgesucht wurden.

erstmals veröffentlicht am 07.09.2012, letzte Aktualisierung am 09.02.2024

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