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Kategorie: Anwalt Verwaltungsrecht , 13.12.2023 (Lesedauer ca. 4 Minuten, 19371 mal gelesen)

Schlechte Abiturnote: Wann lohnt sich ein Widerspruch?

Schlechte Abiturnote: Wann lohnt sich ein Widerspruch? © freepik - mko

Falsche Aufgabenstellung, fehlerhafte Korrekturen oder eine unzumutbare Prüfungssituation – es gibt viele Gründe, warum es sich für Schüler lohnen kann gegen eine schlechte Abiturnote vorzugehen. Schließlich kommt es bei der Bewerbung für einen Studienplatz oder einen Ausbildungsplatz oft entscheidend auf die Abiturnote an. Doch in welchen Fällen kann man mit Erfolg gegen eine schlechte Abiturnote vorgehen? Und wie überprüfen Gerichte die Notenvergabe im Abitur?

Wann lohnen sich Widerspruch und Klage gegen eine schlechte Abiturnote?


Gegen schlechte Abiturnoten können Schüler innerhalb von vier Wochen nach Erhalt Widerspruch einlegen, denn es handelt sich beim Abitur um einen Verwaltungsakt mit Außenwirkung. Ist der Widerspruch erfolglos, kann eine Klage vor dem Verwaltungsgericht angestrengt werden. Dazu sollten Schüler und Eltern wissen, dass nur jede fünfte Klage gegen eine schlechte Benotung erfolgreich ist. Lehrer haben bei der Benotung einen weiten Spielraum, so dass eine Klage nur bei groben und erheblichen Verstößen des Lehrers Erfolg verspricht.

Wie überprüfen Gerichte die Notenvergabe im Abitur?


Schul- und Abiturnoten resultieren aus fachlichen Überlegungen und aus dem konkreten Prüfungsgeschehen. Aus diesem Grund können Gerichte nicht eigene Bewertungskriterien im Hinblick auf die Benotung einer Abiturprüfung entwickeln, sondern sie müssen dem Lehrer einen Beurteilungsspielraum einräumen, der nur eingeschränkt überprüfbar ist.

Die gerichtliche Überprüfung der Abiturnote beschränkt sich daher auf Verfahrensfehler, Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, Verletzung von allgemeingültigen Bewertungsmaßstäben, Anstellung von sachfremden Erwägungen oder unrichtige Darstellung eines Sachverhalts, so das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz (Az. 7 K 90/12.KO).

Ist die Null-Punkte-Regelung bei Abiturprüfungen rechtmäßig?


In manchen Bundesländern fällt ein Schüler durchs Abitur, wenn er eine Null-Punkte-Prüfung abliefert. Das Verwaltungsgericht Magdeburg hält diese Null-Punkte-Regelung in den Abiturvorschriften des Landes Sachsen-Anhalt für unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Ein Schüler, der in einer mündlichen Abiturprüfung im Fach Religion Nullpunkte erhielt, darf daher sein Abitur wiederholen, entschied das VG Magdeburg (Az. 7 A 645/13 MD). Der Abiturient absolvierte seine letzte von fünf Abiturprüfungen im mündlichen Fach Religion. Aufgabe war die Interpretation eines Bibelzitats und dessen Einordnung in den zeitlichen Kontext. Der Schüler hatte bei einer früheren Interpretation im Unterricht die Note eins erzielt, dieses Mal bewertete die Prüfungskommission seine Antwort mit null Punkten. Konsequenz: Der Schüler bestand sein Abitur nicht.

Dürfen Prüfungsfragen im mündlichen Abitur über den Unterrichtsinhalt hinausgehen?


Das VG Koblenz (Az. 7 K 1278/05.KO) hat klargestellt, dass in einer mündlichen Abiturprüfung auch Fragen gestellt werden dürfen, die über die im Unterricht vermittelten Inhalte hinausgehen. In einer Abiturprüfung gehöre es zum Anforderungsprofil auch selbständige Begründungen, Folgerungen, Deutungen und Wertungen zu verlangen.

Wann darf sich der Endkorrektor über die Beurteilung der Erst- und Zweitkorrektur hinwegsetzen?


Der Endkorrektor einer Abiturklausur darf sich nur dann über die Bewertung des Erst- und Zweitkorrektors hinwegsetzen, wenn diese offensichtlich rechtswidrig sind, entschied das VG Freiburg (Az. 2 K 1145/13).

Macht eine Klage gegen den Berechnungsmodus im Abitur Sinn?


Ein Abiturient scheiterte mit seiner Klage auf Neuberechnung seiner Abiturnote von 1,6 auf 1,5 vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz (Az. 2 A 10910/14.OVG). Der Abiturient war der Auffassung, dass der Berechnungsmodus zur Ermittlung seiner Abiturnote rechtswidrig war. Obwohl er keine freiwillige Facharbeit geschrieben habe, sei die von ihm im „Qualifikationsbereich“ erreichte Gesamtpunktzahl durch 44 geteilt worden, wenngleich er nur 43 Einzelleistungen eingebracht habe. Das habe zur Folge, dass sich die Nichterbringung einer freiwilligen Leistung für ihn rechnerisch nachteilig niedergeschlagen habe. Das sah das Gericht anders: Die Note im Abiturzeugnis sei in zulässiger Weise berechnet worden. Ein Schüler, der keine Facharbeit erstellt habe, erhalte in der Qualifikationsphase auch insoweit keine Punkte. Dadurch, dass die zusätzliche Leistung einer freiwilligen Facharbeit in Form von zusätzlichen Punkten auch belohnt werden soll, während es sich für diejenigen, die die zeitaufwendige Erstellung einer zusätzlichen Arbeit scheuten, lediglich neutral auswirke, liege eine bewusste Ungleichbehandlung ungleicher Sachverhalte vor. Eine Verletzung des Gleichheitsgebotes sei daher nicht erkennbar. Auch die angewendete Berechnungsformel sei rechtmäßig und insbesondere, als mathematische Berechnungsformel, nicht auslegungsfähig. Selbst für den Fall, dass man von einer Gesamtnichtigkeit der im Streit stehenden Abiturprüfungsordnung ausgehen wollte und daher die vorherige Prüfungsordnung anzuwenden sei, könne der Abiturient ohne Facharbeit keinen bessere Abiturdurchschnitt erzielen, da er auch nach der vorherigen Prüfungsordnung einen Notendurchschnitt von 1,6 erzielt hätte, so die Trierer Verwaltungsrichter.

Darf ein Hinweis auf Notenschutz wegen Legasthenie im Abiturzeugnis stehen?


Das Bundesverwaltungsgericht (Az. BVerwG 6 C 33.14 und BVerwG 6 C 35.14) hat in zwei älteren Entscheidungen klargestellt, dass im Abiturzeugnis daraufhin gewiesen werden darf, dass die Rechtschreibleistung wegen einer Legasthenie nicht bewertet wurde.

Dies sieht das Bundesverfassungsgericht (BVG) im Jahr 2023 (Az. 1 BvR 2577/15, 1 BvR 2579/15, 1 BvR 2578/15) anders und entschied, dass die in den bayerischen Abiturzeugnissen vermerkten Bemerkungen, dass Rechtschreibleistungen des Schülers aufgrund einer Legasthenie nicht bewertet wurden, die Grundrecht auf allgemeine Gleichbehandlung verletzt. Laut Gericht ist diese Bemerkung diskriminierend, weil sie ausschließlich bei Schülern mit der Lernschwäche Legasthenie vorgenommen wurde und nicht bei Schülern mit anderen Behinderungen oder bei Ermessensentscheidungen von Lehrern im Hinblick auf die Rechtschreibleistung.

Wann kann ein Schüler im Abitur wegen Täuschung ausgeschlossen werden?


Ein Schüler kann im Abitur wegen Täuschung oder Täuschungsversuch ausgeschlossen werden, wenn dieser beweisbar ist. Selbst wenn eine schriftliche Abiturarbeit an einigen Stellen Übereinstimmungen mit dem amtlichen Lösungsvorschlag ausweist, kann daraus nicht sicher auf eine Täuschungshandlung geschlossen werden. Die Schülerin darf deshalb nicht von der restlichen Abiturprüfung ausgeschlossen werden, so das VG Karlsruhe (Az. 7 K 1873/09).

Was gilt für Nachschreibetermin für Kursarbeiten?


Eine Schülerin, die in vier Grundfächern Kursarbeiten versäumte, muss angesichts dies bevorstehenden Abiturs keine Nachschreibetermine angeboten werden, weil sie den Grund ihres Fehlens nicht unverzüglich mitteilte und auch nicht schriftlich begründete, so das VG Mainz (Az. 6 L 135/09.MZ).

Zu spät zur Abiprüfung- Darf der Schüler die Prüfung wiederholen?


Kommt ein Schüler zu seiner Abiturprüfung zu spät, ist das kein Grund ihm von der Prüfung auszuschließen. Er darf laut VG Weimar (Az. 2 E 682/09 We) die Prüfung wiederholen.

Übrigens: Privater Abitur-Vorbereitungskurs kann nicht wegen Krankheit gekündigt werden


Ein Schüler kann aufgrund von häufigen krankheitsbedingten Fehlzeiten den Vertrag mit einer Privatschule über einen Vorbereitungskurs zum Abitur nicht einfach kündigen und die Zahlung des Schulgelds verweigern, entschied das Amtsgericht München (Az. 242 C 15750/16). Laut einem Sachverständigengutachten litt der Schüler schon seit längerer Zeit unter einem Reizdarm. Es handelte sich somit nicht um eine plötzlich eintretende Erkrankung, die er bei Vertragsabschluss nicht kannte. Der Schüler habe trotz des bekannten Krankheitsrisikos den Vertrag zum Vorbereitungskurs auf das Abitur mit der Privatschule abgeschlossen. Das Risiko von krankheitsbedingten Fehlzeiten falle somit in Sphäre des Schülers. Eine außerordentliche Kündigung des Schulvertrages komme daher nicht in Betracht.


erstmals veröffentlicht am 27.06.2016, letzte Aktualisierung am 13.12.2023

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