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Kategorie: Anwalt Arbeitsrecht , 10.02.2022 (Lesedauer ca. 3 Minuten, 2201 mal gelesen)

Betriebliche Übung: Wann greift das Gewohnheitsrecht für Arbeitnehmer?

Betriebliche Übung: Wann greift das Gewohnheitsrecht für Arbeitnehmer? © bzyxx - Fotolia

Ob es das Weihnachtsgeld, der freie Rosenmontag oder der kostenlose Firmenparkplatz ist- Arbeitnehmer können bei bestimmten Verhaltensweisen des Arbeitgebers, die sich regelmäßig wiederholen, unter bestimmten Voraussetzungen darauf vertrauen, dass sie diese Vergünstigung auch zukünftig erhalten werden. Doch wann liegt eine sog. betriebliche Übung vor? Für wen gilt sie? Und kann der Arbeitgeber sie einfach beenden?

Was versteht man unter einer betrieblichen Übung?


Eine betriebliche Übung ist eine bestimmte Verhaltensweise des Arbeitgebers, die für den Arbeitnehmer eine Vergünstigung darstellt und regelmäßig vom Arbeitgeber wiederholt wird, so dass der Arbeitnehmer daraus schließen kann, dass er diese Leistung dauerhaft erhält. Eine solche betriebliche Übung begründet unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch des Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeber.

Wann liegt eine betriebliche Übung vor?


Damit für den Arbeitnehmer ein Anspruch auf die betriebliche Übung entsteht, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

- die Leistung muss vom Arbeitgeber mindestens drei Jahre in Folge erbracht werden
- die Leistung muss den meisten Arbeitnehmern im Betrieb gewährt werden, oder zumindest einem abgrenzbaren Teil, wie einer Abteilung.
- für die Leistung wurde immer die gleiche Berechnungsgrundlage gewählt
- Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag schließen eine betriebliche Übung nicht aus

Ganz wichtig: Hat der Arbeitgeber sich von Anfang an die Freiwilligkeit der Leistung, bzw. Vergünstigung oder ein Widerrufsrecht vorbehalten, kommt keine betriebliche Übung zustande.

Was sind die typischen Fälle einer betrieblichen Übung?


Typische Fälle einer betrieblichen Übung sind

Weihnachtsgeld


Hat ein Arbeitgeber über mehr als drei Jahre Weihnachtsgeld an die Belegschaft gezahlt, entsteht eine betriebliche Übung und damit ein Anspruch der Arbeitnehmer, so u.a. das Bundesarbeitsgericht (Aktenzeichen 10 AZR 68/96) und das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen 5 Sa 604/10).

Urlaubsgeld



Essensgeld



Fahrtkostenzuschuss



Pausenregelungen


Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgericht Nürnberg (Aktenzeichen 2 Sa 132/15) können Raucher aber nicht davon ausgehen, dass ihr Arbeitgeber ihre Raucherpausen aus betrieblicher Übung bezahlt werden.

Regelungen zum privaten Telefonieren oder Internetnutzung



Arbeitszeiten an Feier- oder Brauchtumstagen (Rosenmontag, Oktoberfest)


Befreit der Arbeitgeber seine Beschäftigten regelmäßig unter Vorbehalt von ihrer Arbeit an Rosenmontag, entsteht keine betriebliche Übung, so das Bundesarbeitsgericht (Aktenzeichen 9 AZR 672/92).
Gewährt der Arbeitgeber an Faschingsdienstag dienstfrei nur unter dem Vorbehalt, soweit es dienstlich möglich ist, entsteht kein Anspruch auf einen freien Tag aus Gewohnheitsrecht, so auch der Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (Aktenzeichen 17 P 05.3061).

Ablauf der Urlaubsverteilung



Ablauf der Krankmeldung



Zur Verfügung stellen eines Firmenparkplatzes


Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (Aktenzeichen 1 Sa 17/13) besteht kraft betrieblicher Übung jedenfalls dann kein Rechtsanspruch auf die künftige kostenlose Nutzung eines Betriebsparkplatzes, wenn der Arbeitgeber im Zusammenhang mit Neubaumaßnahmen die bisherige Parkplatzanlage beseitigt und unter erheblichen Aufwendungen eine neue Parkplatzfläche schafft. In diesem Fall dürfen die Arbeitnehmer auch bei einer jahrelangen kostenlosen Nutzung des Betriebsparkplatzes nicht berechtigterweise davon ausgehen, der Arbeitgeber werde auch künftig kostenlose Parkplätze bereitstellen. Auch das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Aktenzeichen 1 Sa 646 b/00) lehnte eine kostenlose Nutzung eines Parkplatzgeländes durch Arbeitnehmer in folgendem Fall als betriebliche Übung ab: Das bloße Ausweisen von Parkflächen mit Verkehrsschildern "nur für Mitarbeiter" und der Appell, diese Flächen anstatt Parkverbotszonen zu nutzen, begründe im öffentlichen Dienst keinen Anspruch der Mitarbeiter aus betrieblicher Übung auf unentgeltliche Nutzung von Parkmöglichkeiten, so das Landesarbeitsgericht.

Für wen gilt die betriebliche Übung?


Eine betriebliche Übung gilt für alle Arbeitnehmer, die die Vergünstigung erhalten. Auch Beschäftigte, die neu in einem Unternehmen sind, haben einen Anspruch auf die betrieblichen Übungen, die zum Zeitpunkt ihres Arbeitsvertragsabschlusses gelten. Das heißt, sie müssen nicht erst drei Jahre warten, bis ihr Anspruch auf die Leistung besteht. Der Arbeitgeber kann in einem Arbeitsvertrag mit einem neuen Beschäftigten eine bestehende betriebliche Übung nur mit einem sachlich gerechtfertigten Grund ausschließen.

Wie kann eine betriebliche Übung beendet werden?


Besteht erst einmal eine betriebliche Übung, kann der Arbeitgeber diese nicht einseitig aufkündigen oder widerrufen, so das Bundesarbeitsgericht (Aktenzeichen 10 AZR 281/08). Er kann sie nur im gegenseitigen Einvernehmen mit den Arbeitnehmern beenden oder eine entsprechende Änderungskündigung aussprechen.


erstmals veröffentlicht am 29.01.2014, letzte Aktualisierung am 10.02.2022

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