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Kategorie: Anwalt Arbeitsrecht , 12.12.2023 (Lesedauer ca. 6 Minuten, 2498 mal gelesen)

Wann ist das Kopftuch in Ausbildung und Job erlaubt?

Fröhliche Muslima mit Hijab bei der Ausbildung Fröhliche Muslima mit Hijab bei der Ausbildung © freepik - mko

Das Tragen eines Kopftuchs am Arbeitsplatz aus religiösen Gründen beschäftigt schon seit längerem die Gerichte. Doch warum gibt es überhaupt ein Kopftuchverbot im Job? Dürfen Lehrerinnen, Richterinnen oder andere weibliche Beschäftigte im öffentlichen Dienst ein Kopftuch tragen? Und wie sieht es mit der Zulässigkeit von Kopftuchverboten in der privaten Wirtschaft aus?

Warum gibt es ein Kopftuchverbot im Job?


Muslimische Frauen tragen aus religiösen Gründen ein Kopftuch. In europäischen Kulturkreisen wird das Kopftuch als Zeichen der Unterdrückung der muslimischen Frau und als Symbol einer fundamentalistischen Auslegung des Islams gewertet.

Ob das Tragen eines Kopftuchs, als ein bestimmtes religiöses Symbol, im Job verboten werden kann, ist umstritten. Eine besondere Rolle spielt das Kopftuch im öffentlichen Dienst, wo sich beim Tragen des religiösen Symbols die Religionsfreiheit des Einzelnen und eine religiöse Neutralitätspflicht des Staates gegenüberstehen.

Ist ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen zulässig?


Das Bundesverfassungsgericht (BVG) (Az.1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10) hat im Januar 2015 ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrer an öffentlichen Schulen als verfassungswidrig erklärt. Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Berlin und andere Bundesländer hatten Vorschriften erlassen, wonach das Tragen eines Kopftuchs im Lehrbetrieb verboten ist. Laut Gericht ist in Kopftuchverbot mit der Religionsfreiheit der Lehrer nicht vereinbar. Ein Kopftuchverbot habe in einem Gesetz nur dann verfassungsrechtlichen Bestand, wenn von dem religiösen Bekenntnis nicht nur eine abstrakte, sondern eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität besteht. Das Kopftuch kann im Schulbetrieb also verboten werden, wenn durch das Tragen des Kopftuchs eine Gefahr für den Schulbetrieb besteht oder für die staatliche Neutralität.

Für das Bundesarbeitsgericht (BAG) (Az. 8 AZR 62/19) stellt ein pauschales Kopftuchverbot eine Diskriminierung aufgrund eines religiösen Bekenntnisses dar. Das Gericht gab der Antidiskriminierungsklage einer Lehramtsbewerberin, die im Rahmen des Vorstellungsgespräches angab im Unterricht Kopftuch tragen zu wollen, statt. Das beklagte Land habe eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität nicht begründet, so dass ein verfassungswidriger Eingriff in die Religionsfreiheit der Lehramtsbewerberin gegeben sei.

Zwei Lehrerinnen, die aus religiösen Gründen Kopftuch tragen und sich aufgrund des einst im nordrhein-westfälischen Schulgesetz verankerten - zwischenzeitlich als verfassungswidrig erklärten - Kopftuchverbot bei einer Stellenbesetzung diskriminiert fühlten, scheiterten hingegen mit ihren Klagen vor dem Oberverwaltungsgericht Münster (Az. 6 A 2170/16, 6 A 2628/16). Nach Ansicht des Gerichts fehlt für einen Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz jeweils die Bewerbung der beiden Frauen auf eine konkrete Stelle. Sie können sich nicht nur auf das pauschale Kopftuchverbot im Schulgesetz berufen, dies allein stelle noch keine Diskriminierung dar.

Eine Berliner Lehrerin wollte mit Kopftuch an einer Grundschule unterrichten und klagte beim Arbeitsgericht (ArbG) Berlin (Az. 60 Ca 8090/17). Ohne Erfolg! Das Gericht verwies die Frau auf das Berliner Neutralitätsgesetz, das den Einsatz von Lehrerinnen mit Kopftuch an Grundschulen verbiete.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg (Az. 7 Sa 963/18) sprach hingegen Lehrerinnen, die aufgrund ihres muslimischen Kopftuchs nicht in den Schuldienst eingestellt wurden, einen Anspruch auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu. Begründung: Das Land war aufgrund des Berliner Neutralitätsgesetzes nicht berechtigt, die Einstellung der Kopftuchträgerin abzulehnen. Für das Verbot religiöser Symbole, wie das Kopftuch, müsse eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden bestehen oder eine staatliche Neutralität erforderlich sein. Beides sei im konkreten Fall nicht gegeben.

Der Schulträger kann eine Einstellungszusage zurücknehmen, wenn eine Lehrerin mitteilt, dass sie mit Kopftuch unterrichten will. Dies entschied das Verwaltungsgericht (VG) Osnabrück (Az. 3 A 24/16) und wies die Klage der Lehrerin auf Entschädigung wegen religiöser Diskriminierung ab.

In Bayern dürfen Lehrerinnen kein Kopftuch im Schulunterricht tragen, entschied der Bayerischer Verfassungsgerichthof (Az. Vf. 11-VII-05) und lehnte damit die Klage einer Islamischen Religionsgemeinschaft mit einem Hinweis auf die christlichen Werte im Schulbetrieb ab.

Das Kopftuchverbot kann auch nicht mit dem Tragen einer Mütze oder ein Kopftuch in der "Grace-Kelly-Variante" umgangen werden, wenn dies aus religiösen Gründen erfolgt. Das BAG (Az. 2 AZR 499/08) und das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) (Az. 2 B 46.08) stellen klar, dass auch das Tragen einer Mütze als Kopftuch-Ersatz gegen das Kopftuchverbot verstößt und untersagt werden kann. Auch das ständige Tragen einer Baskenmütze, die die Haare komplett verdeckt, ist vom Kopftuchverbot erfasst, so das ArbG Düsseldorf (Az. 12 Ca 175/05). Ebenso nicht erlaubt ist das Tragen eines Kopftuchs in der "Grace-Kelly-Variante", entschied das VG Düsseldorf (Az. 2 K 1752/07).

Richterinnen, Staatsanwältin, Rechtsreferendarinnen – Ist das Kopftuch vor Gericht erlaubt?


Im Hinblick auf das Kopftuchverbot bei Rechtsreferendarinnen hat das BVG (Az. 2 BvR 1333/17) im Januar 2020 aufgrund einer Verfassungsbeschwerde einer hessischen Rechtsreferendarin entschieden, dass dieses Verbot rechtmäßig ist. Das Gebot der staatlichen Neutralität in Gerichtssälen und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege wiege schwerer als die Religions- und Berufsfreiheit des Einzelnen. Das gelte auch für Rechtsreferendare als Repräsentanten staatlicher Gewalt.

Das BVerwG (Az. 2 C 5.19) stellt klar, dass ein Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen auch nach Abschluss der Ausbildungsstationen, für die das Kopftuchverbot erlassen wurde, gerichtlich angreifbar ist.

Das bayrische Verbot für Richter, Staatsanwälte und Landesanwälte in Verhandlungen religiös oder weltanschaulich geprägte Symbole oder Kleidungsstücke zu tragen, hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof (Az. Vf. 3-VII-18) ebenfalls als verfassungsgemäß bestätigt. Das Kopftuchverbot greife zwar die in der Bayerischen Verfassung verbürgte Glaubens- und Gewissensfreiheit der betroffenen Richterinnen und Staatsanwältinnen an, es müsse aber mit der Pflicht des Staates zu einer weltanschaulich-religiösen Neutralität im Justizbereich abgewogen werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die persönlichen Belange eines Amtsträgers hinter seiner Funktion im Amt zurücktreten müssen. Der Staat müsse gewährleisten, dass seine Justiz unabhängig und unparteilich ist. Das Tragen von religiösen oder weltanschaulichen Symbolen stehe dazu im Widerspruch. Die institutionelle Neutralität der Justiz sei bei der Abwägung als das besonders schützenswerte Gut anzusehen.

Dürfen Städte und Kommunen das Kopftuch im Dienst verbieten?


Städte, Kommune und öffentliche Verwaltungen können nach einer Entscheidung des EuGH (Az. C-148/22) das Tragen eines Kopftuchs aus religiösen Gründen verbieten, wenn das Verbot religiöse oder weltanschauliche Zeichen im Dienst zu tragen für alle Beschäftigten unterschiedslos gilt und auf das Notwendigste beschränkt ist, damit ein neutrales Verwaltungsumfeld geschaffen wird.

Eine städtische Bedienstete darf während ihrer Arbeitszeit ein Kopftuch tragen, entschied noch vor einigen Jahren das VG Kassel (Az. 1 K 2514/17.KS). Laut Gericht sei durch das Tragen des Kopftuchs als religiöses Zeichen keine hinreichend konkrete Gefahr für das Schutzgut der staatlichen Neutralität oder Grundrechte Dritter gegeben. Mit einem Kopftuchverbot werde in ungerechtfertigt in die Glaubens- und Religionsfreiheit der städtischen Bediensteten eingegriffen. Es stelle die betroffene Frau vor die unzulässige Wahl entweder ihrer beruflichen Tätigkeit oder ihrer religiösen Überzeugung zu folgen. Das Kopftuchverbot begründe sich auch nicht aus der Repräsentationsfunktion der städtischen Bediensteten. In dem der Staat religiöse Bekundungen seiner Repräsentanten dulde, mache er sich diese nicht automatisch zu Eigen, so die Kasseler Verwaltungsrichter.

Können kirchliche Arbeitgeber das Kopftuch bei Arbeitnehmerinnen untersagen?


Kirchlichen Arbeitnehmerinnen darf das Tragen eines Kopftuchs verboten werden, entschied das BAG (Az. 5 AZR 611/12) im Fall einer muslimischen Krankenschwester. Sie sind in Einrichtungen der Kirche zur Neutralität verpflichtet.

Das LAG Baden-Württemberg (Az.7 Sa 84/08) erklärte die Abmahnung einer Erzieherin, die gegen das Kopftuchverbot in einem kirchlichen Kindergarten verstoßen hatte, für gerechtfertigt.

Ist ein Kopftuchverbot in der privaten Wirtschaft erlaubt?


Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass unternehmensinterne Regeln das Tragen eines Kopftuchs verbieten können. Ein Unternehmen dürfe ohne diskriminierend zu sein Regeln aufstellen, die seinen Arbeitnehmern das sichtbare Tragen von religiösen, politischen oder philosophischen Zeichen verbieten.

Anlass für die EuGH-Entscheidung (Az. C-157/15 u. C-188/15) waren zwei ähnliche Fälle aus Belgien und Frankreich: Muslimischen Arbeitnehmerinnen wurden gekündigt, weil sie während ihrer Arbeitszeit ein Kopftuch trugen. Zu Recht, entschied der EuGH. Die Arbeitnehmerinnen waren als Repräsentantinnen für ihr Unternehmen im Außendienst tätig und es war ihnen untersagt religiöse oder politische Zeichen nach außen zu tragen. Eine solche Regelung sei dann nicht diskriminierend gegenüber einer Religion, wenn sie rein beruflichen Zwecken dient und sachlich gerechtfertigt ist. Dies muss immer im Einzelfall geprüft werden, so der EuGH. Will der Arbeitgeber ein Kopftuchverbot aussprechen, muss er vorher prüfen, ob dieses auch verhältnismäßig und notwendig ist.

In einer weiteren Entscheidung urteilte der Europäische Gerichtshof (Az. C-804/18, C-341/19) dass der Arbeitgeber ein Verbot aussprechen kann, wonach keine politischen, religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen durch das Tragen von Zeichen oder Kleidung gezeigt werden dürfen, wenn er damit soziale Konflikte vermeiden und gegenüber seinen Kunden ein neutrales Erscheinungsbild vermitteln möchte. Ein solches Neutralitätsgebot sei nicht diskriminierend, weil es unterschiedslos für alle Bekundungen gilt. Das Kopftuchverbot in einem Drogeriemarkt und in einer Kita erklärte der EuGH für zulässig.

Das LAG Nürnberg (Az. 7 Sa 304/17) hat in einer älteren Entscheidung geurteilt, dass ein Arbeitgeber einer muslimischen Drogeriemarkt-Kassiererin nicht pauschal verbieten darf ein Kopftuch während ihrer Arbeitszeit zu tragen. Ein Kopftuchverbot sei nur dann gerechtfertigt, wenn durch das Tragen des Kopftuchs konkrete Störungen im Arbeitsalltag auftreten oder Kundenachteile drohen.



erstmals veröffentlicht am 04.06.2018, letzte Aktualisierung am 12.12.2023

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