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Kategorie: Anwalt Verwaltungsrecht , 15.12.2023 (Lesedauer ca. 4 Minuten, 16274 mal gelesen)

Winterdienst und Streupflicht: Was gilt für die Kommune?

Winterreifen mit Schnee bedeckt Winterreifen mit Schnee bedeckt © freepik-mko

Im Winter ist die Kommune in der Pflicht Straßen und Wege von Schnee und Eis zu befreien, damit Glätteunfälle von Autofahrern, Fahrradfahrern oder Fußgängern verhindert werden. Doch wo genau und wann muss die Kommune Schnee räumen und bei Eisglätte streuen? Können Bürger auf die Durchführung des Winterdienstes klagen? Haben Anwohner einen Anspruch auf ein bestimmtes Streugut? Und in welchen Fällen muss die Kommune bei Glätteunfällen haften?

Wo muss die Kommune Schnee räumen und bei Glätte streuen?


Die Winterdienstpflichten der Kommunen regeln Straßen- und Wegegesetze sowie Straßenreinigungsgesetze der einzelnen Bundesländer. Meist umfasst der kommunale Winterdienst öffentliche Straßen innerhalb der geschlossenen Ortschaft, Bundesfernstraßen, Landstraßen und Kreisstraßen, das Schneeräumen und Streuen auf den Fahrbahnen und Gehwegen. Bei der Frage, welche Straßen geräumt werden müssen, spielt laut Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Az. 11 U 17/16) die Gefährlichkeit, die Verkehrsstärke, die Gefährlichkeit und die Wichtigkeit der Straße eine Rolle. Bei Straßen außerhalb der Ortschaft mit geringer Bedeutung trifft die Kommune keine generelle Pflicht zum Winterdienst, stellt das Gericht klar. Auch das Landgericht (LG) Gera (Az. 2 O 2235/03) stellt im Fall eines wegen Glatteis verunglückten Fahrradfahrer klar: Die Kommune muss nicht überall, sondern bei Straßenglätte nur an wichtigen Straßenstellen streuen und räumen. Das Gericht lehnte die Haftung der Kommune für den Fahrradunfall ab.

Auch belebte öffentliche Parkplätze müssen von Schnee und Eis durch die Kommune befreit werden, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) (Az. III ZR 32/65). Können Autofahrer auf einem öffentlichen Parkplatz mit wenigen Schritten den geräumten Fußgängerweg erreichen, muss der Parkplatz nicht von der Kommune geräumt werden, so das Thüringer OLG (Az.3 U 181/00). Auch das OLG Celle (Az. 9 U 109/04) entschied, dass die Stellflächen und die Zwischenräume zwischen den Autos auf einem öffentlichen Parkplatz nicht von der Kommune gestreut werden müssen, wenn ein angrenzender, gestreuter Fußweg mit nur wenigen Schritten zu erreichen ist.

Der Winterdienst auf einem öffentlichen Parkplatz umfasst nicht die Pflicht, diesen völlig schnee- und eisfrei zu halten. Von Passanten kann erwartet werden, dass sie gut sichtbare Eisflächen umgehen, entschied das OLG Koblenz (Az. 5 U 1418/11).

Wann muss der kommunale Winterdienst erfolgen?


Die Kommune ist nicht verpflichtet rund um die Uhr zu streuen, so der Bundesgerichtshof (Az. VI ZR 163/08) und das LG Bonn (Az. 1 O 463/03). In der Regel wird der Winterdienst von der Kommune zwischen 7 und 20 Uhr geleistet. Das Landgericht München I (Az. 6 O 23924/04) hält den morgendlichen Winterdienst ab 6.30 Uhr für erforderlich. An Sonn- und Feiertagen muss die Kommune den morgendlichen Winterdienst laut einer Entscheidung des OLG Oldenburg (Az. 6 U 90/01) nicht vor 9 Uhr erledigen.

Grundsätzlich ist die Kommune nur bei allgemeiner Glättebildung zum Winterdienst verpflichtet, entschied das OLG Brandenburg (Az. 2 U 8/07). Vereinzelt auftretende Glätte löst noch keine Streupflicht aus.

Auch alleine eine Wettervorhersage von Glatteisbildung begründet noch nicht die Pflicht zum Winterdienst auf öffentlichen Straßen, entschied das OLG Hamm (Az. 11 U 17/16).

Kann der Winterdienst auf Grundstückseigentümer übertragen werden?


Der Winterdienst kann von der Kommune auch auf Dritte übertragen werden. So werden meist das Räumen und Streuen von Gehwegen auf die angrenzenden Grundstückseigentümer per kommunaler Satzung abgewälzt. Auch die Pflicht eine Fahrbahn zu räumen oder zu streuen, kann die Kommune per Satzung auf die Straßenanlieger übertragen, so das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Az. OVG 9 B 20.14 und OVG 9 B 21.14).

Haben Bürger Anspruch auf ein bestimmtes Streutgut?


Bürger haben keinen Anspruch darauf, auf welche Weise die Gemeinde ihrer Pflicht zur Winterwartung nachkommt. Dies entschied das Verwaltungsgericht Aachen (Az. 6 L 539/10) im Fall eines Anwohners, der von der Kommune verlangte, die vor seinem Grundstück verlaufende Straße mit Salz oder einem Lavagemisch zu streuen. Das Gericht verwies darauf, dass das Straßen- und Wegegesetz des Landes NRW den Gemeinden eine Reinigungspflicht und Winterdienstpflicht für bestimmte Straßen auferlegt, daraus ergebe sich aber kein einklagbarer Anspruch des Straßennutzer auf eine bestimmte Durchführung des Winterdienstes.

Können Bürger die Durchführung des Winterdienstes durch die Kommune einklagen?


Straßenbenutzer haben keinen einklagbaren Anspruch auf Durchführung des Winterdienstes. Erst wenn die Nichterfüllung der Winterdienstpflicht zu Unfällen und Schäden Dritter führt, können die Betroffenen Schadensersatzansprüche gegenüber der Kommune geltend machen.

Wann haftet die Kommune bei Glätteunfällen aufgrund von Schnee und Eis?


Kommt die Kommune ihrer Pflicht zum Winterdienst nicht oder nicht ordnungsgemäß nach, haftet sei bei einem Glätteunfall auf Schadensersatz.

Eine Kommune haftet bei einem Glätteunfall aber nicht wegen der Verletzung der Streupflicht, wenn sie ihren Verpflichtungen aus dem Streuplan nachkommt und dieser Streuplan eine sichere Erfüllung des Winterdienstes gewährleistet, entschied das OLG Hamm (Az. 2010 I-9 U 113/10).

Eine Fußgängerin, die im Winter auf einer glatten Fußgängerbrücke gestürzt war und sich dabei Verletzungen am Sprunggelenk zu gezogen hatte, scheiterte vor dem Bundesgerichtshof mit ihrer Schadensersatzklage gegenüber der Kommune. Laut BGH (Az. III ZR 225/08) hat die Kommune ihre Streupflicht nicht verletzt, da zum Zeitpunkt des Sturzes keine allgemeine Glättebildung bestanden, sondern nur einzelne Glättestellen, die die Kommune noch nicht zum Winterdienst veranlassen.

Die Winterdienstpflicht der Kommune für Gehwege gilt nur gegenüber Fußgängern. Kommt ein Fahrradfahrer auf einem Gehweg wegen Glätte zum Sturz, haftet die Kommune auch dann nicht, wenn nicht ausreichend gestreut war, so das OLG Oldenburg (Az. 6 U 150/02).

Die Kommune haftet auch nicht für den Sturz eines Fahrradfahrers auf einem eisglatten Weg, wenn die Glätte für den Radfahrer gut erkennbar war und er sein Fahrverhalten hätte entsprechend anpassen müssen, so das LG Osnabrück (Az. 8 O 814/04).

Stürzt ein Radfahrer Ende März aufgrund von ausgebrachtem und liegen gelassenen Streugut, begründet dies noch kein Anspruch auf Schadensersatz, entschied das OLG Schleswig (Az. 7 U 25/19). Die Kommune ist nicht verpflichtet ordnungsgemäß ausgebrachtes Streugut sofort wieder zu beseitigen.


erstmals veröffentlicht am 10.01.2013, letzte Aktualisierung am 15.12.2023

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