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Kategorie: Anwalt Immobilienrecht ,
16.10.2025 (Lesedauer ca. 5 Minuten, 109 mal gelesen)
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Änderung der Kostenverteilung: ein praxisrelevantes Thema, mit dem sich Wohnungseigentümer regelmäßig auseinandersetzen müssen.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Wohnungseigentümer gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 WEG auch den Verteilungsschlüssel für die Zuführung zu Rücklagen durch Beschluss ändern dürfen, sofern dies bestimmten Kostenarten zugeordnet werden kann. Im konkreten Fall wurde die bisherige Verteilung nach Miteigentumsanteilen durch eine neue Regelung nach beheizbarer Wohnfläche ersetzt, was keine ungerechtfertigte Benachteiligung der Gewerbeeinheiten darstellt. Die Entscheidung stärkt die Selbstorganisationsrechte der Eigentümergemeinschaft und betont deren weiten Gestaltungsspielraum bei der Kostenverteilung, solange die ordnungsmäßige Verwaltung gewahrt bleibt.

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Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Änderung des Kostenverteilungsschlüssels für die Zuführung zu Rücklagen in Wohnungseigentumsanlagen beschäftigt. Grundlage der nachstehenden Ausführungen ist sein Urteil vom 14.02.2025 – V ZR 128/23.

Im zugrundeliegenden Fall gehörten zu der Wohnungseigentumsanlage – neben den Gewerbeeinheiten der Klägerinnen – 30 Wohnungseigentumseinheiten sowie insgesamt 25 Garagen/Stellplätze. In der Teilungserklärung war geregelt, dass öffentliche Abgaben, Betriebskosten und Instandsetzungskosten jeweils nach Miteigentumsanteilen (MEA) getragen werden. Der in der Teilungserklärung ausgewiesene Miteigentumsanteil war bezogen auf die Grundfläche bei den Wohnungen etwa viermal größer als bei den Gewerbeeinheiten. In einer Eigentümerversammlung wurde beschlossen, dass ab dem neuen Jahr alle Kosten für die Häuser, die aktuell nach Miteigentumsanteilen verteilt würden, nach "beheizbarer Wohnfläche (ohne Balkone/Loggien)" verteilt werden sollten und diese Kostenverteilung auch die Zuführung zu der Erhaltungsrücklage betreffen solle.

Zentrale Vorschrift im WEG-Recht, wenn es um Kosten und deren Verteilung geht, ist § 16 WEG.

Nach § 16 Abs. 2 S. 1 WEG hat jeder Wohnungseigentümer die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils zu tragen. Diese Regelung stellt den Grundsatz der Kostenverteilung im WEG-Recht dar.

Die Wohnungseigentümer können jedoch für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von diesem Grundsatz oder von einer Vereinbarung (z.B. eine in der Gemeinschaftsordnung vereinbarte Kostenregelung) abweichende Verteilung beschließen, § 16 Abs. 2 S. 2 WEG. Diese Vorschrift begründet eine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer, den geltenden Verteilungsschlüssel abzuändern.

Ob sich aus § 16 Abs. 2 S. 2 WEG auch die Kompetenz ergibt, den Verteilungsschlüssel für die Zuführung zu der Erhaltungsrücklage zu ändern, war lange Zeit umstritten. Nunmehr hat der Bundesgerichtshof Klarheit geschaffen und eine derartige Kompetenz der Wohnungseigentümer bejaht. Begründet hat er dies wie folgt:

Formal gesehen gehören Zahlungen, die auf eine Rücklage geleistet werden, zwar nicht zu den Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Der Begriff der "Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer" ist aber dahin auszulegen, dass er auch Zahlungen auf Rücklagen umfasst.

Der in § 16 Abs. 2 S. 1 BGB geregelte gesetzliche Kostenverteilungsschlüssel, der eingreift, wenn eine Regelung nicht getroffen ist, gilt - ebenso wie nach altem Recht - nach allgemeiner und zutreffender Meinung auch für die Zuführung zu Rücklagen.
Regelt § 16 Abs. 2 S. 1 WEG aber den gesetzlichen Verteilungsschlüssel für Kosten im engeren Sinne ebenso wie den gesetzlichen Schlüssel für die Zuführung zu einer Rücklage, muss sich auch die in § 16 Abs. 2 S. 2 WEG geregelte Kompetenz der Wohnungseigentümer, für einzelne oder bestimmte Arten von Kosten eine von § 16 Abs. 2 S. 1 WEG oder einer Vereinbarung abweichende Verteilung zu beschließen, auf den Schlüssel für die Zuführung zu einer Rücklage beziehen. Dafür, dass der Begriff der Kosten in § 16 Abs. 2 S. 2 WEG anders gemeint sein sollte als in §
16 Abs. 2 S. 1 WEG, bestehen keine Anhaltspunkte.

Bei der im vorliegenden Fall beschlossenen Änderung der Kostenverteilung im Hinblick auf die Zuführung zu der Erhaltungsrücklage handelt es sich um eine abweichende Verteilung für „bestimmte Arten von Kosten“ im Sinne des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG und nicht um eine nicht von der Kompetenz gedeckte generelle Änderung des Verteilungsschlüssels.

Der Bundesgerichtshof hat mit der streitgegenständlichen Entscheidung klargestellt, dass die Formulierung "bestimmte Arten von Kosten" in § 16 Abs. 2 S. 2 WEG lediglich das allgemein für Beschlüsse geltende Bestimmtheitserfordernis hervorhebt und keine darüber hinausgehenden Anforderungen begründet. Aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich nicht, dass eine Beschlussfassung nur dann möglich sein soll, wenn die Kosten in dem Beschluss "ihrer Art nach" bestimmt sind, also die Art der Kosten näher bezeichnet ist.

Hierfür sprechen auch der Sinn und Zweck der Vorschrift. Durch die Regelung des § 16 Abs. 2 S. 2 WEG sollen die Wohnungseigentümer einfacher als bisher über eine nach den Umständen des Einzelfalles angemessene Kostenverteilung entscheiden können. Diesem Anliegen des Gesetzgebers und der angestrebten Rechtssicherheit liefe es zuwider, wenn die Beschlusskompetenz davon abhinge, einzelne Kostenarten über deren Bestimmbarkeit hinaus näher zu spezifizieren, oder wenn eine Beschlussfassung, die ausnahmslos alle Betriebskosten betrifft, nicht möglich wäre.

Die vorliegend beschlossene Änderung des Verteilungsschlüssels benachteiligt die Teileigentümerinnen der Gewerbeeinheiten nach Ansicht des Bundesgerichtshofes nicht ungerechtfertigt und entspricht daher ordnungsmäßiger Verwaltung.

Den Wohnungseigentümern ist bei Änderungen des Umlageschlüssels aufgrund des Selbstorganisationsrechts der Gemeinschaft ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Der Beschluss über eine Kostenverteilung muss, wie dies grundsätzlich in § 19 Abs. 1 WEG zum Ausdruck gebracht wird und für alle Beschlüsse der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gilt, lediglich ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Beschließen die Wohnungseigentümer für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine Änderung der bisherigen Verteilung, dürfen sie jeden Maßstab wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen ist und insbesondere nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung Einzelner führt. Ein auf der Grundlage von § 16 Abs. 2 S. 2 WEG gefasster Beschluss, mit dem ein vereinbarter Verteilungsmaßstab, der bestimmte Wohnungseigentümer privilegiert, geändert wird, entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn es für die vereinbarte Privilegierung keinen sachlichen Grund gab. Unter dieser Voraussetzung stellt es keine ungerechtfertigte Benachteiligung der zuvor Privilegierten dar, wenn von dem vereinbarten Maßstab abgewichen wird.

Der alte Verteilungsschlüssel hat die Teileigentümerinnen der Gewerbeeinheiten unbillig privilegiert, weil die Gewerbeeinheiten gemessen an der Fläche nur mit etwa einem Viertel an den Kosten für Abgaben, Betriebskosten und Erhaltung beteiligt gewesen sind und für diese Privilegierung kein sachlicher Grund bestanden hat.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes verfängt der Vortrag der Teileigentümerinnen der Gewerbeeinheiten, dass wesentliche Bereiche des Gemeinschaftseigentums - namentlich der Haupteingang zu den Wohnungen, das Treppenhaus und die dort zugänglichen Kellerräume sowie der Aufzug - durch die Teileigentumseinheiten nicht genutzt würden, so dass eine verhältnismäßig geringe Belastung mit den diese Bereiche betreffenden
Erhaltungs- und Betriebskosten sachlich gerechtfertigt sei, nicht. Die Kostenverteilung erfolgte nach Miteigentumsanteilen. Die unterdimensionierten Miteigentumsanteile der Gewerbeeinheiten führten dazu, dass die Gewerbeeinheiten im Verhältnis nicht nur weniger von den die Wohnungen betreffenden Kosten trugen, sondern auch von den die Gewerbeeinheiten betreffenden Kosten, während die Wohneinheiten an sämtlichen Kosten überproportional beteiligt wurden.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass der Bundesgerichtshof mit der dargestellten Entscheidung die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer, von dem Grundsatz der Verteilung der Kosten der Gemeinschaft nach Miteigentumsanteilen abzuweichen und eine andere Kostenregelung zu treffen, weiter gestärkt hat und den Wohnungseigentümern überlässt, die Art der Kostenverteilung selbst zu organisieren. Entsprechend steht den Wohnungseigentümern ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Grenze bleibt wie immer die Einhaltung ordnungsmäßiger Verwaltung.

Für Rückfragen zum Themengebiet „Kosten und deren Verteilung in der WEG“ stehe ich gerne zur Verfügung.

Rechtsanwalt Michael Ziedrich Hagen
Rechtsanwalt Michael Ziedrich
Michael Ziedrich Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht · Fachanwalt für Verkehrsrecht · Rechtsanwalt
Bergstraße 128-130, 58095 Hagen
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