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Kategorie: Anwalt Versicherungsrecht , 28.08.2023 (Lesedauer ca. 5 Minuten, 11252 mal gelesen)

Wer haftet bei Unfällen in der Schule?

Bewustloser wird nach Arbeitsunfall auf eine Trage gehoben Bewustloser wird nach Arbeitsunfall auf eine Trage gehoben © freepik-mko

Auf dem Schulweg, in der Pause oder beim Sportunterricht kommt es immer wieder zu Unfällen von Schülern – zum Teil auch mit schweren gesundheitlichen Folgen. Doch wann zahlt die gesetzliche Unfallversicherung bei Unfällen in der Schule? Wer haftet bei einer Rangelei unter Schülern? Und wann haften Lehrer für Unfälle während des Unterrichts?

Wann zahlt die gesetzliche Unfallversicherung bei Unfällen in der Schule?


Wenn Kinder die Schule besuchen, stehen sie unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Versicherungsschutz besteht während des Unterrichts, in den Pausen, bei Projektarbeiten, Arbeitsgemeinschaften, auf dem direkten Schulweg, bei Schulveranstaltungen (Klassenfahrten, Ausflüge, Feste) und Praktika. Allerdings ist Voraussetzung, dass die Schule die organisatorische Verantwortung trägt. Rein private Tätigkeiten, wie Nachhilfeunterricht, fallen nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Fällt ein Unfall auf dem Schulweg unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung?


Schüler stehen auch auf ihrem Weg zur und von der Schule unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Das gilt selbst dann, wenn sie nicht den kürzesten Weg nach Hause nehmen, entschied das Bundessozialgericht (BSG) (Az. B 2 U 29/06 R).

Nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg (Az. L 6 U 4904/14) stehen Schüler auch unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn ihnen ein Unfall auf dem Nachhauseweg von einer Projektarbeit geschieht.

Zahlt die gesetzliche Unfallversicherung bei einem Unfall im schulischen Hort?


Schüler stehen während ihrer Betreuung in schulischen Horteinrichtungen auch beim Essen unter dem erweiterten Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. So lautet eine Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen (Az. L 9 U 41/06) im Fall eines Grundschülers, der seit einem Unfall im Rahmen einer Hortbetreuung schwerstbehindert ist.

Tritt die gesetzliche Unfallversicherung bei einem Unfall auf einer Klassenfahrt ein?


Ein Unfall auf einer Klassenfahrt ist nur dann vom Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst, wenn die Tätigkeit des Schülers in einem sachlichen Zusammenhang mit seinem Schüler-Dasein stand. Passierte der Unfall im Rahmen einer privaten Tätigkeit, greift der Versicherungsschutz nicht. Dies stellt das LSG Darmstadt (Az. L 3 U 7/18) im Fall einer Schülerin klar, die auf der Klassenfahrt aufgrund eines Krampfanfalls von ihrem Bett stürzte und sich verletzte.

Ist ein Unfall auf einer Schulparty ein Fall für die gesetzliche Unfallversicherung?


Ein Unfall auf einer Schulparty ist vom Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst, wenn die Veranstaltung zumindest organisatorisch von der Schulleitung mitgetragen wurde. Das auch eine weitere Öffentlichkeit zur Party zugelassen war, spielt für den Versicherungsschutz keine Rolle, so das LSG Rheinland-Pfalz (Az.L 3 U 62/13).

Kommt die gesetzliche Unfallversicherung für einen Sportunfall in einem schulfremdem Gebäude auf?


Schüler im Rahmen des Schulsports sind gesetzlich unfallversichert, auch wenn das Training nicht in einem Schulgebäude stattfindet. Dies stellt eine Entscheidung des BSG (Az. B 2 U 19/08 R) klar. Die Schülerin im zu entscheidenden Fall stürzte in der Turnhalle eines Sportclubs bei einem Flick-Flack und zog sich erhebliche Verletzungen an der Halswirbelsäule zu. Auch wenn das Sporttraining nicht in der Schul-Turnhalle stattfand, gehört es doch zum organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule. Das Training war in den Schul- Lehrplan eingepflegt und wurde von Lehrern der Schule überwacht. Damit greift auch der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung für Schulunfälle, so die Bundessozialrichter.

Gehört der Unfall eines Internatsschülers beim Vereinstraining zum Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung?


Wenn sich ein Internatsschüler außerhalb der Schulzeit bei einem Vereinstraining in der Schule verletzt, ist das kein Fall für die gesetzliche Unfallversicherung, entschied das LSG Baden-Württemberg, (Az. L 10 U 2662/21), weil es sich hier im eine Freizeitaktivität handelt.

Ist ein Unfall im Internatszimmer vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst?


Ein Internatszimmer gehört zur Privatsphäre des Schülers. Kommt es hier zu einem Unfall, ist dieser nicht vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst, so das Sozialgericht (SG) Osnabrück (Az. S 19 U 16/19) klar.

Keine Luftfilteranlage im Klassenzimmer – ein Fall für die gesetzliche Unfallversicherung?


Fehlt in einem Klassenzimmer eine erforderliche technische Einrichtung, wie z.B. Luftfilter, die die Lüftungsintervalle verkürzen und so ein Absinken der Raumtemperatur im Winter zum Wohle der Schüler verringern, ist das kein Fall für die gesetzliche Unfallversicherung. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster (Az. 12 B 1683/21). Laut Gericht haben zwar auch Schüler das Recht die Einhaltung von Unfallverhütungsvorschriften zu verlangen. Im konkreten Fall lag aber kein Verstoß gegen diese Vorschriften vor, da das Einhalten einer Raumtemperatur von um die 20 Grad nicht ausnahmslos gefordert werden kann. Ist ein Unterschreiten dieser Temperatur, etwa aus Gründen des Infektionsschutzes temporär notwendig, können Schüler dem zum Beispiel durch das Tragen wärmerer Kleidung entgegnen.

Wann haftet der Lehrer für Unfälle im Unterricht?


Ein Lehrer haftet für einen Unfall, der im Schulunterricht geschieht nur, wenn man ihm Vorsatz im Hinblick auf das Unfallgeschehen und den Unfallfolgen nachweisen kann. Ansonsten tritt die gesetzliche Unfallversicherung für den Unfall ein.

So entschied das Oberlandesgericht (OLG) Osnabrück (Az. 6 U 34/15) in folgendem Fall: Ein Schüler der sechsten Klasse eines Gymnasiums hatte im Rahmen des Chemieunterrichts an einem Experiment zum Thema „Verbrennung“ teilgenommen. Die Schüler bekamen dafür von ihrem Lehrer eine Schale, einen Bunsenbrenner und Brennspiritus ausgehändigt. Die Schüler sollten ein Holzstäbchen mit dem Bunsenbrenner zum Brennen bringen, es dann in die Nähe der mit Brennspiritus gefüllten Schalen führen und beobachten, wann der Brennspiritus zu brennen anfängt. Der Lehrer füllte bei einem Schüler Brennspiritus nach. Dabei entzündete sich auch die Flüssigkeit in der Flasche, die die Lehrerin in der Hand hielt. Der brennende Brennspiritus traf den Schüler und dieser trug erhebliche Verbrennungen an Gesicht, Hals und Oberkörper davon. Das Kind musste ins Krankenhaus und unter Vollnarkose behandelt werden. Der Schüler verklagte den Lehrer auf eine Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro.

Zu Unrecht, entschied das Gericht. Behandlungskosten würden bei einem Schulunfall von der gesetzlichen Unfallversicherung getragen. Eine Zahlung von Schmerzensgeld an Schüler sei gesetzlich absichtlich ausgeschlossen worden, um den Schulfrieden nicht zu stören. Nur wenn Vorsatz beim Unfallgeschehen und den Unfallfolgen nachweisbar sei, könne ausnahmsweise Schmerzensgeld verlangt werden.

Wer haftet bei Rangeleien unter Schülern?


Schüler haften untereinander bei Unfällen, die aufgrund von Rangeleien oder Streichen in der Schule geschehen in der Regel nicht. Für einen Schmerzensgeld- oder Schadensersatzanspruch wäre es zwingend notwendig, dass der Schüler den anderen Schüler vorsätzlich einen gesundheitlichen Schaden zu fügen wollte. Dies stellt auch der Bundesgerichtshof (BGH) (Az. VI ZR 34/02) im Fall eines Schülers klar, der im Werkunterricht ein Sägeblatt, dass sich bei einem anderen Schüler gelöst hatte als dieser die Säge als Tennisschläger nutzte, ins Auge bekam und erblindete. Eine Haftung des Schülers kam nicht in Betracht. Dafür sei die gesetzliche Unfallversicherung zuständig. Der verletzte Schüler erhält eine Rente von der gesetzlichen Unfallversicherung.

Auch die Verletzung eines Mitschülers durch den Wurf eines Feuerwerkskörpers in der Pause löst keinen Schmerzensgeldanspruch beim Verletzten aus, entschied der BGH (Az. VI ZR 163/03). Hier liege kein Vorsatz für eine Körperverletzung vor.

Spielt ein Schüler mit seinem Lineal herum und verletzt dabei einen Mitschüler, entsteht auch hier kein Schmerzensgeldanspruch, weil bei der Körperverletzung der Vorsatz fehlte, so das Landgericht (LG) Ansbach (Az. 2 O 1240/13).


erstmals veröffentlicht am 10.07.2015, letzte Aktualisierung am 28.08.2023

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