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Kategorie: Anwalt Arbeitsrecht , 26.02.2021 (Lesedauer ca. 3 Minuten, 1644 mal gelesen)

Arbeitgeber Kirche: Arbeitsplätze nur für Kirchenmitglieder?

Arbeitgeber Kirche: Arbeitsplätze nur für Kirchenmitglieder? © freepik - mko

Die Kirche und ihre Einrichtungen genießen als Arbeitgeber einige Sonderrechte. Doch dürfen konfessionslose Bewerber bei Stellenausschreibungen von kirchlichen Arbeitgebern benachteiligt werden? Wann darf Religionszugehörigkeit von einem Arbeitnehmer erwartet werden? Und ist es der Kirche erlaubt einem Arbeitnehmer nach einem Kirchenaustritt oder einer Scheidung das Arbeitsverhältnis zu kündigen?

Stellenausschreibung: Ist Religionszugehörigkeit als Voraussetzung zulässig?


Altarraum in eine christlichen KircheDie evangelische Diakonie lehnte eine konfessionslose Bewerberin wegen ihrer Religionslosigkeit und wurde wegen eines Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vom Bundesarbeitsgericht (Aktenzeichen 8 AZR 501/14) zu einer Entschädigungszahlung von rund 4.000 Euro verurteilt. Die Frau hatte sich bei dem Werk der Evangelischen Kirche auf eine Stelle beworben, bei der schwerpunktmäßig Parallelberichte zum deutschen Staatenbericht zur Umsetzung der der UN-Antirassismuskonvention durch Deutschland sowie Stellungnahmen und Fachbeiträge erarbeiten und die Diakonie in verschiedenen Gremien vertreten werden sollte. Das Gericht stellte klar, dass die Art der ausgeschriebenen Tätigkeit keine Religionszugehörigkeit erfordere. Eine Gefahr für das Ethos des kirchlichen Arbeitgebers habe nicht bestanden, da die Bewerberin nicht an internen Meinungsbildungsprozessen beteiligt gewesen wäre und auch nicht unabhängig hätte handeln können. Somit habe die evangelische Diakonie gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen.

Eine Ungleichbehandlung, etwa von Stellenbewerbern, ist für Kirchen und Religionsgemeinschaften nur dann nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zulässig, wenn „eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt."

Lesen in einem GebetsbuchAuch der Europäische Gerichtshof (Aktenzeichen C.414/16) stellt in einer Entscheidung klar, dass bei einer kirchlichen Stellenausschreibung geprüft werden muss, ob die Voraussetzung der Religionszugehörigkeit für die Stelle objektiv geboten und für die Wahrung kirchlicher Belange notwendig ist. Konfessionslose Bewerber dürfen daher nicht ohne nachvollziehbaren Grund von einer Stellenausschreibung ausgeschlossen werden.

Darf ein kirchlicher Arbeitgeber wegen Kirchenaustritt kündigen?


Eine Religionsgemeinschaft kann nach dem Grundgesetz im Rahmen der allgemeinen Gesetze ihre Angelegenheiten selbst ordnen und verwalten. Dies hat auch Auswirkungen auf das kirchliche Arbeitsrecht.

Nach der Grundordnung der katholischen Kirche stellt ein Kirchenaustritt einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß dar. Dies berechtigt die katholische Kirche und ihre Einrichtungen Mitarbeiter, die wegen eines Kirchenaustritts gegen ihre arbeitsvertraglichen Loyalitätsobliegenheiten verstoßen haben, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht (Aktenzeichen 2 AZR 579/12) im Fall eines Sozialpädagogen, der bei der Caritas beschäftigt war und aus der Kirche austrat.

Krankenpflegerin reicht älterer Dame ein Glas SaftIm Fall einer Mitarbeiterin der evangelischen Diakonie, die nach 26 Dienstjahren aus der evangelischen Kirche austrat und daraufhin von ihrem Arbeitgeber fristlos gekündigt wurde, wurde vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Aktenzeichen 12 Sa 1258/17) ein Vergleich erzielt. Das Gericht wies daraufhin, dass dem kirchlichen Arbeitgeber zwar das Recht zu stehe, einen Mitarbeiter nach einem Kirchenaustritt zu kündigen. Aufgrund der langen Beschäftigungsdauer und das ohnehin kurz bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses führten zu einer Entschädigungszahlung der Diakonie.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Aktenzeichen 4 Sa 27/20) erklärte die fristlose Kündigung eines Kochs in evangelischer KiTa wegen seines Kirchenaustritts als unwirksam. Der Koch hatte nur bei der Essensausgabe Kontakt zu den Kindern. Die Loyalitätserwartungen des kirchlichen Arbeitgebers geht dem Gericht in diesem Fall zu weit.

Scheidung und Wiederverheiratung: Grund zur Kündigung?


junge Frau lacht gemeinsam mit älterer DameDer Europäische Gerichtshof (Aktenzeichen C-68/17) hat entschieden, dass die Kündigung eines Chefarztes eines katholischen Krankenhauses wegen seiner Wiederverheiratung nach seiner Ehescheidung wegen Diskriminierung unwirksam sein kann. Ob ein Verstoß gegen seine Loyalitätsobliegenheiten gegenüber seinem kirchlichen Arbeitgeber vorliegt, müsse durch ein staatliches Gericht, hier das Bundesarbeitsgericht, überprüft werden. Bei einem Chefarzt bestehe seine berufliche Tätigkeit in der medizinischen Beratung und Behandlung seiner Patienten, da erscheine die Dokumentation seiner Loyalität zur katholischen Kirche nicht für seine Arbeit zwingend notwendig. Dieser Ansicht schloss sich das Bundesarbeitsgericht (Aktenzeichen 2 AZR 746/14) im Jahr 2019 nach einem jahrelangen Rechtsstreit an und erklärte die Kündigung des Chefarztes für diskriminierend.


erstmals veröffentlicht am 03.05.2018, letzte Aktualisierung am 26.02.2021

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