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Kategorie: Anwalt Arbeitsrecht ,
22.09.2025 (Lesedauer ca. 5 Minuten, 2098 mal gelesen)
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Arbeitgeber Kirche: Arbeitsplätze nur für Kirchenmitglieder?

Arbeitgeber Kirche: Arbeitsplätze nur für Kirchenmitglieder? © freepik - mko

Die Frage, ob Arbeitgeber aus dem kirchlichen Bereich ihre Arbeitsplätze nur an Mitglieder ihrer Kirche vergeben dürfen, sorgt immer wieder für juristische Diskussionen und öffentliche Debatten. Wer eine Stelle in einer Kirchengemeinde, einem katholischen Kindergarten oder bei einer evangelischen Diakonie anstrebt, sollte genau wissen, welche Rechte und Pflichten sowohl für Arbeitnehmer als auch für den kirchlichen Arbeitgeber gelten.

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Welche Besonderheiten gibt es bei kirchlichen Arbeitgebern?


Kirchliche Arbeitgeber genießen in Deutschland ein besonderes Selbstbestimmungsrecht, das sich aus dem Grundgesetz und speziellen Arbeitsrecht-Regelungen ableitet. Kirchen dürfen grundsätzlich entscheidet selbst, wen sie beschäftigen, insbesondere wenn es um die Verwirklichung ihrer religiösen Ziele geht. Begründet wird das damit, dass die Kirche das Recht hat, ihre religiösen Aufgaben durch geeignete Personen erfüllen zu lassen. Etwa beim Religionsunterricht in der Schule, bei der Seelsorge, Gemeindearbeit oder bei der Arbeit im kirchlichen Kindergarten. Dieses Prinzip wird auch als „Kirchenprivileg“ bezeichnet. Das bedeutet jedoch nicht, dass Kirchen uneingeschränkt diskriminieren dürfen. Es gibt Grenzen, insbesondere wenn es um Stellen geht, die keinen direkten Bezug zur religiösen Arbeit haben.

Darf die Kirche Arbeitsplätze nur an Kirchenmitglieder vergeben?


Kirchliche Arbeitgeber dürfen die Mitgliedschaft in der eigenen Kirche als Beschäftigungsvoraussetzung festlegen, wenn die Tätigkeit unmittelbar mit der Verwirklichung religiöser Aufgaben zusammenhängt. Beispiele dafür sind Seelsorger, Pastoren oder Pfarrer, Religionslehrer oder Katecheten, die Leitung von kirchlichen Kindergärten oder Schulen mit konfessionellem Profil, Mitarbeiter in der Gemeindeverwaltung, wenn Aufgaben direkt die Glaubensvermittlung betreffen
Hierbei geht es nicht nur um die formale Zugehörigkeit, sondern oft auch um die Überzeugung und Praxis des Glaubens, da die Arbeit die religiöse Mission der Kirche unterstützt.

Für welche Arbeitsplätze darf keine Kirchenmitgliedschaft verlangt werden?


Nicht jede Stelle in einer kirchlichen Einrichtung fällt unter das Kirchenprivileg. Tätigkeiten ohne direkten religiösen Bezug dürfen nicht an die Mitgliedschaft gebunden werden. Dazu zählen etwa das Verwaltungspersonal, das reine Büroarbeiten erledigt, Hausmeister oder Reinigungskräfte, IT- oder Technikpersonal, das keine religiösen Inhalte vermittelt oder Küche und Catering, wenn die Arbeit nicht Teil des religiösen Unterrichts oder der Glaubensvermittlung ist. In solchen Fällen gilt allgemeines Arbeitsrecht und das AGG (Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz), das Diskriminierung wegen Religion grundsätzlich verbietet.
Das sagt die Rechtsprechung: Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) (Az. C.414/16) muss bei einer kirchlichen Stellenausschreibung geprüft werden, ob die Voraussetzung der Religionszugehörigkeit für die Stelle objektiv geboten und für die Wahrung kirchlicher Belange notwendig ist. Konfessionslose Bewerber dürfen daher nicht ohne nachvollziehbaren Grund von einer Stellenausschreibung ausgeschlossen werden.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) (Az 8 AZR 501/14) hatte die evangelische Diakonie wegen eines Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu einer Entschädigung von rund 4.000 Euro verurteilt. Eine konfessionslose Bewerberin hatte sich bei dem Werk der Evangelischen Kirche auf eine Stelle beworben, bei der schwerpunktmäßig Parallelberichte zum deutschen Staatenbericht zur Umsetzung der der UN-Antirassismuskonvention durch Deutschland sowie Stellungnahmen und Fachbeiträge erarbeiten und die Diakonie in verschiedenen Gremien vertreten werden sollte. Das Gericht stellte klar, dass die Art der ausgeschriebenen Tätigkeit keine Religionszugehörigkeit erfordere. Eine Gefahr für das Ethos des kirchlichen Arbeitgebers habe nicht bestanden, da die Bewerberin nicht an internen Meinungsbildungsprozessen beteiligt gewesen wäre und auch nicht unabhängig hätte handeln können. Somit habe die evangelische Diakonie gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verstoßen.
Eine Ungleichbehandlung, etwa von Stellenbewerbern, ist für Kirchen und Religionsgemeinschaften nur dann nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zulässig, wenn „eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt."
Die Gerichte prüfen also stets den Zusammenhang zwischen Tätigkeit und religiöser Mission, bevor eine Kirchenmitgliedschaft als Beschäftigungsvoraussetzung gerechtfertigt wird.

Darf ein kirchlicher Arbeitgeber wegen Kirchenaustritt kündigen?


Kirchliche Arbeitgeber haben ein besonderes Selbstbestimmungsrecht, das es ihnen erlaubt, von ihren Mitarbeitern eine besondere Loyalität gegenüber den Werten der Kirche zu verlangen. Ein Kirchenaustritt eines Mitarbeiters kann daher als Verstoß gegen diese Loyalitätspflichten gewertet werden.
Ob eine Kündigung nach einem Kirchenaustritt zulässig ist, hängt stark von der Art der Tätigkeit des Mitarbeiters ab. Bei Tätigkeiten mit kirchlichem Verkündigungsauftrag, wie etwa bei einem. Pfarrer oder Religionslehrer, wird eine enge Verbundenheit mit der Kirche erwartet. Ein Kirchenaustritt kann eine Kündigung rechtfertigen.
Bei Tätigkeiten mit weltlichem Charakter, wie zum Beispiel bei einer Pflegekraft oder einem Verwaltungsmitarbeiter, führt ein Kirchenaustritt nicht automatisch zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Entscheidend ist, ob die Religionszugehörigkeit für die konkrete Aufgabe erforderlich ist.
Nach der Grundordnung der katholischen Kirche stellt ein Kirchenaustritt einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß dar. Dies berechtigt die katholische Kirche und ihre Einrichtungen Mitarbeiter, die wegen eines Kirchenaustritts gegen ihre arbeitsvertraglichen Loyalitätsobliegenheiten verstoßen haben, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Dies entschied das BAG (Az. 2 AZR 579/12) im Fall eines Sozialpädagogen, der bei der Caritas beschäftigt war und aus der Kirche austrat.
Im Fall einer Mitarbeiterin der evangelischen Diakonie, die nach 26 Dienstjahren aus der evangelischen Kirche austrat und daraufhin von ihrem Arbeitgeber fristlos gekündigt wurde, wurde vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen (Az. 12 Sa 1258/17) ein Vergleich erzielt. Das Gericht wies daraufhin, dass dem kirchlichen Arbeitgeber zwar das Recht zu stehe, einen Mitarbeiter nach einem Kirchenaustritt zu kündigen. Aufgrund der langen Beschäftigungsdauer und das ohnehin kurz bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses führten zu einer Entschädigungszahlung der Diakonie.
Das LAG Baden-Württemberg (Az. 4 Sa 27/20) erklärte die fristlose Kündigung eines Kochs in evangelischer KiTa wegen seines Kirchenaustritts als unwirksam. Der Koch hatte nur bei der Essensausgabe Kontakt zu den Kindern. Die Loyalitätserwartungen des kirchlichen Arbeitgebers geht dem Gericht in diesem Fall zu weit.
Nach dem Schlussantrag der EuGH-Generalanwaltschaft ( Az. C-258/24) ist die Kündigung einer Arbeitnehmerin wegen Kirchenaustritt durch eine katholische Organisation diskriminierend, wenn andere die gleiche Arbeit machen ohne Mitglied in der katholischen Kirche zu sein und sie nicht offen dem Kirchen Ethos zu wider handelt.

Scheidung und Wiederverheiratung: Grund zur Kündigung?


Kirchliche Arbeitgeber erwarten von ihren Mitarbeitern, dass sie die Werte der Kirche vertreten und entsprechend leben. Zum Beispiel nach der katholischen Glaubenslehre ist die Ehe ein unauflösliches Sakrament, sodass eine Scheidung und insbesondere eine erneute standesamtliche Heirat als Verstoß gegen kirchliche Grundsätze gewertet werden kann.
Aber auch hier ist für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses entscheidend, ab die Tätigkeit des Arbeitnehmers mit einem kirchlichen Verkündungsauftrag oder ohne religiösen Bezug wahrgenommen wird.
Der EuGH (Az. C-68/17) hat entschieden, dass die Kündigung eines Chefarztes eines katholischen Krankenhauses wegen seiner Wiederverheiratung nach seiner Ehescheidung wegen Diskriminierung unwirksam sein kann. Ob ein Verstoß gegen seine Loyalitätsobliegenheiten gegenüber seinem kirchlichen Arbeitgeber vorliegt, müsse durch ein staatliches Gericht, hier das Bundesarbeitsgericht, überprüft werden. Bei einem Chefarzt bestehe seine berufliche Tätigkeit in der medizinischen Beratung und Behandlung seiner Patienten, da erscheine die Dokumentation seiner Loyalität zur katholischen Kirche nicht für seine Arbeit zwingend notwendig. Dieser Ansicht schloss sich das BAG (Az.2 AZR 746/14) im Jahr 2019 nach einem jahrelangen Rechtsstreit an und erklärte die Kündigung des Chefarztes für diskriminierend.

erstmals veröffentlicht am 03.05.2018, letzte Aktualisierung am 22.09.2025

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