anwaltssuche
Suche
Kategorie: Anwalt Reiserecht ,
20.09.2024 (Lesedauer ca. 7 Minuten, 159073 mal gelesen)
Stern Stern Stern Stern grau Stern grau 4.0 / 5 (17854 Bewertungen)

Reiserücktritt wegen Krankheit - Wann zahlt die Versicherung?

kranke Frau liegt niesend im Bett mit Grippesymptomen kranke Frau liegt niesend im Bett mit Grippesymptomen © freepik - mko

Wer aufgrund einer Erkrankung oder eines Unfalls seine gebuchte Reise nicht antreten kann, hat zumindest die Chance seine Stornokosten von seiner Reiserücktrittversicherung erstattet zu bekommen. Doch die Reiserücktrittversicherung springt längst nicht bei jeder Erkrankung ein. Wann greift der Versicherungsschutz einer Reiserücktrittsversicherung? Bei welchen Krankheiten zahlt die Reiserücktrittversicherung nicht? Und welche Unterlagen benötigt man für die Versicherung bei einem Reiserücktritt wegen Krankheit?

In welchen Fällen greift der Versicherungsschutz bei Reiserücktritt wegen Krankheit?


Alle schweren Krankheiten, die unerwartet auftreten und damit eine Reise für den Betroffenen unzumutbar machen, müssen von der Reiserücktrittsversicherung anerkannt werden.

Als unerwartet ist eine Erkrankung nach einem Urteil des Amtsgerichts (AG) München (Az. 242 C 29669/09) anzusehen, wenn sie aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht vorhersehbar war. Eine Wirbelkörperfraktur kann für einen Versicherungsnehmer auch dann unerwartet sein, wenn er an Osteoporose erkrankt ist, entschied das Landgericht (LG) Düsseldorf (Az. 9 S 42/17). Muss eine Reise wegen einer Lungentransplantation, die aufgrund einer Vorerkrankung durchgeführt werden muss, abgesagt werden, handelt es sich nicht um eine unerwartete Erkrankung, so das AG Frankfurt am Main (Az. 32 C 196/18).
Eine unerwartete Verschlimmerung einer bereits vorhandenen Krankheit ist wie eine unerwartete Erkrankung anzusehen, so das LG Dortmund (Az. 2 S 42/11.).

Als schwere Krankheiten sind unstreitig etwa ein Herzinfarkt, Schlaganfall, Bandscheibenvorfall oder ein schwerer Infekt anzuerkennen.

Ein Nasenbeinbruch ist in der Regel keine schwere Erkrankung, da eine operative Behandlung normalerweise nicht erforderlich ist. Kommen aber Umstände hinzu, wie ein Riss in der Nasenscheidenwand mit Einblutungen, kann auch aus einem Nasenbeinbruch eine schwere Erkrankung werden, die ein Reiserücktrittsgrund darstellt, so das AG München (Az. 275 C 9001/08).

Auch eine Durchfallerkrankung ist an sich noch kein Grund eine Reise nicht anzutreten. Entscheidend ist hier, ob für den betroffenen Reisenden die Reise zumutbar ist, so das Oberlandesgericht (OLG) Celle (Az. 8 U 165/18).

Wurde für die geplante Reise eine Impfung empfohlen oder vorgeschrieben und stellt sich beim Versicherungsnehmer eine Impfunverträglichkeit heraus, ist das ein Grund für einen Reiserücktritt, so das OLG Karlsruhe (Az. 12 U 184/12).

Eine Schwangerschaft ist zwar keine Erkrankung, kann aber ein Grund für einen Reiserücktritt sein. Nach einer Entscheidung des LG Köln (Az. 24 S 40/06) kann eine schwangere Frau eine Fernreise nach dem Bekanntwerden der Schwangerschaft stornieren. Die Reiserücktrittsversicherung muss in diesem Fall die Stornokosten übernehmen. Auch Schwangerschaftskomplikationen können zu einer Reisestornierung berechtigen, so das AG München (Az. 224 C 32365/11).

Bei welchen Krankheiten zahlt die Reiserücktrittversicherung nicht?


Eine leichte Erkältung, ein leichter Magen-Darm-Infekt oder Kopfschmerzen sind in der Regel sicher keine Krankheiten, die zum Rücktritt von einer Reise berechtigen.

Auch die leere Batterie eines Herzschrittmachers ist keine unerwartete Erkrankung für die die Reiserücktrittsversicherung einstehen muss, so das AG München (Az. 242 C 37052/05).

Ebenso rechtfertigt eine vorsehbare Lungentransplantation keinen Reiserücktritt für den die Versicherung aufkommen muss, so das AG Frankfurt am Main (Az. 32 C 196/18 (18).

Bloßes Unwohlsein oder Angst auf einer Kreuzfahrt stellt laut AG München (Az. 159 C 13380/20) ebenfalls keine Krankheit dar, die zu einer Entschädigungsleistung durch die Versicherung führt.

Das LG Hannover (Az. 2 O 6/23) hat entschieden, dass eine Corona Infektion an sich keine schwere Erkrankung darstellt und in diesem Fall kein Versicherungsschutz durch die Reiserücktrittversicherung gegeben ist. Zur bloßen Infektion müsste für einen Versicherungsfall eine schwere Erkrankung hinzukommen.

Wird die Reise aufgrund einer psychischen Erkrankung storniert, kann die Reiserücktrittsversicherung ein Attest von einem Facharzt verlangen, so das AG München (Az. 231 C 35774/05). Handelt es bei der psychischen Erkrankung um chronische Depressionen muss die Reiserücktrittsversicherung die Stornokosten nicht tragen. In diesem Fall liegt keine „unerwartet“ schwere Krankheit vor, sondern ein Krankheitsschub, entschied das AG München (Az. 133 C 33118/02). Eine Reiserücktrittsversicherung kann für psychische Erkrankungen ihre Leistungen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam ausschließen, so ebenfalls das AG München (Az. 172 C 3451/13).

Welche Klauseln sind im Vertrag zur Reiserücktrittversicherung unwirksam?


In einem Vertrag zur Reiserücktrittsversicherung sind Klauseln dann unwirksam, wenn sie den Versicherten unangemessen benachteiligen oder gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen.

Das ist etwa der Fall, wenn eine Klausel unklar oder missverständlich formuliert ist und daher dem Versicherten unklare oder missverständliche Informationen über seinen Versicherungsschutz gibt, kann unwirksam sein. So entschied der Bundesgerichtshof (Az. ), dass eine Klausel, wonach „ bei einem bereits vorher bekannten medizinischen Zustand“ der Versicherungsschutz ausgeschlossen ist und dies mit Beispielen erläutert, unwirksam ist, da sie nicht klar zu erkennen gebe bei welchen weiteren Zuständen der Versicherungsschutz ausgeschlossen ist.

Auch wenn eine Klausel im Vertrag fordert, dass ein Reiserücktrittsgrund unverzüglich, beispielsweise innerhalb von 24 Stunden, nach Eintritt gemeldet werden muss, kann das unwirksam sein. Die Frist muss angemessen sein und dem Versicherten eine realistische Möglichkeit zur Meldung geben.

Unwirksam ist auch eine Klausel, die dem Versicherer das Recht einräumt, den Vertrag einseitig zu ändern, ohne den Versicherten darüber ausreichend zu informieren und ihm ein Kündigungsrecht einzuräumen.

Weiterhin sind Klauseln, die eine kürzere Verjährungsfrist für Ansprüche des Versicherten vorsehen, als gesetzlich vorgeschrieben, unwirksam. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.

Eine Klausel, die eine extrem hohe Selbstbeteiligung vorsieht, kann als unwirksam betrachtet werden, wenn sie den Zweck der Versicherung unterläuft.

Brauche ich beim Reiserücktritt wegen Krankheit ein ärztliches Attest?


Ein ärztliches Attest zur Erkrankung ist notwendig, um den Eintritt des Versicherungsfalls zu dokumentieren.
Ein Reisender, der nach einem Skiunfall lediglich mit seinem Hausarzt in Deutschland telefonierte und auf dessen Rat hin den Urlaub abbrach und die Heimreise antrat, kann von seiner Reiserücktrittsversicherung keine Entschädigung verlangen, entschied das AG München (Az. 174 C 6951/20). Der Verunglückte könne aufgrund eines fehlenden Attestes von einem Arzt am Urlaubsort nicht beweisen, dass ihm eine Fortsetzung seiner Reise aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich war.

Wichtig: Einige Reiserücktrittsversicherungen verlangen über das ärztliche Attest hinaus eine ausführliche Stellungnahme vom Arzt.
Aufgepasst: Bietet die Reiserücktrittversicherung eine eigene medizinische Stornoberatung an und empfiehlt diese dem ratsuchenden Kunden die Reise aufgrund von Krankheit zu stornieren, ist die Reiserücktrittversicherung an diese Auskunft gebunden. Sie kann nicht im Nachhinein Leistungen aus dem Versicherungsvertrag verweigern, weil ihrer Meinung nach doch kein Grund für einen Reiserücktritt bestand, so das AG München (Az. 122 C 7243/22).

Zahlt die Versicherung auch beim Reiserücktritt wegen Erkrankungen von Angehörigen?


Eine Reiserücktrittsversicherung übernimmt die Stornokosten auch, wenn ein Angehöriger des Versicherungsnehmers unerwartet schwer erkrankt oder verstorben ist. Steht der Tod eines Angehörigen bevor, ist das kein Fall für die Reiserücktrittsversicherung, entschied das AG Hamburg (Az. 17a C 261/16), da der Todeszeitpunkt ungewiss ist.

Verschlechtert sich bei der Schwiegermutter eine an sich altersgerechte Krankheit, handelt es sich um eine unerwartet schwere Erkrankung die den Versicherungsfall auslöst, so das AG Kassel (Az. 435 C 2419/12).

Zu den Angehörigen zählen der Ehepartner, Kinder, Eltern, Geschwister, Großeltern, Enkel, Onkel, Tante, Nichte und Neffe sowie Schwiegerkinder oder -eltern.

Wann muss ich die Reise im Krankheitsfall stornieren?


Wichtig ist im Falle einer Erkrankung die Reise unverzüglich, also ohne schuldhaftes Verzögern, zu stornieren. Wer auf eine mögliche Genesung wartet, riskiert die Kürzung oder sogar den Verlust der Versicherungsleistung. Außerdem fallen je später man eine Reise wegen Krankheit storniert immer höhere Stornokosten an.

So geschehen im Fall eines Versicherungsnehmers, der zu lange auf seine Genesung gehofft hatte. Dem Mann wurden vier Monate vor Reiseantritt Zehen amputiert. Obwohl es zu massiven Wundheilungsstörungen mit Folge-Operationen kam, sagte er die Reise erst eine Woche vor dem beabsichtigten Reisebeginn ab. Von den Stornokosten in Höhe von 1.150 Euro übernahm die beklagte Versicherung nur knapp 200 Euro. Zu Recht, entschied das LG Coburg (Az. 32 S 7/09): Der Versicherungsnehmer hat die vertragliche Pflicht, bei Eintritt des Versicherungsfalls die Reise unverzüglich zu stornieren, um die Stornokosten möglichst gering zu halten. Diese Obliegenheit wurde hier grob fahrlässig verletzt, denn spätestens rund zwei Monate vor dem Urlaubsbeginn hätte sich dem Mann aufgrund der auftretenden Komplikationen der Gedanke aufdrängen müssen, dass er einer Busreise ohne Versorgung durch Pflegepersonal nicht gewachsen sein wird.

Äußert ein Arzt Bedenken gegen eine Reise nach einer Operation, hat der Versicherungsnehmer die Pflicht von der Reise zurückzutreten. Dies folgt aus seiner Schadensminderungspflicht, entschied das LG Hamburg (Az. 306 O 351/14).

Wann gilt eine Reise als schon angetreten?


Bei den meisten Fluggesellschaften können Fluggästen bereits Tage vor dem Abflug online einchecken. Werden sie nach dem Check-in krank, muss die Reiserücktrittsversicherung für die Reisekosten aufkommen, so das AG München (Az. 171 C 18960/13). Der Versicherungsschutz einer Reiserücktrittsversicherung endet laut Gericht nicht beim Online Check-In, da damit die Reise faktisch noch nicht angetreten ist. Für einen Antritt der Reise sei es notwendig, dass der Reisende tatsächlich Leistungen der Airline in Anspruch nimmt – so etwa mit der Aufgabe seines Reisegepäcks oder der Vorlage seiner Bording-Karte zum Betreten des Flugzeugs.

Auch das Ausdrucken der Bordkarte zu Hause am Computer stellt laut AG Bremen, (Az. 10 C 508/12) keinen Reiseantritt da.
Wichtig: Neben einer Reiserücktrittversicherung kann auch der Abschluss einer Reiseabbruchversicherung sinnvoll sein. Diese zahlt auch dann, wenn der Urlauber seine schon angetretene Reise wegen Krankheit abbrechen muss.

Welche Unterlagen werden für die Reiserücktrittsversicherung benötigt?


Für die Regulierung eines Reiserücktritts benötigt die Versicherung den Reisevertrag, einen Versicherungsnachweis, eine ärztliche Stellungnahme zur Erkrankung, die Rechnung über die Stornogebühren sowie einen Nachweis über die erfolgte Zahlung.

Sind pauschale Stornogebühren zulässig?


Es gibt Reiseveranstalter die im Fall einer Stornierung hohe Stornogebühren verlangen.
Nach einem Urteil des LG Köln (Az. 26 O 57/10) sind prozentuale Staffelungen von Stornokosten in den allgemeinen Reisebedingungen ausgeschlossen, da die entstanden Mehrkosten je nach Art der Reise sehr unterschiedlich ausfallen können. Ein Kunde der seine Reise lange vor Antritt storniert hatte, musste daher nicht 40 Prozent des Reisepreises bezahlen.

Das Kammergericht (KG) Berlin (Az. KG 5 U 86/09) akzeptierte ebenfalls eine Stornoregelung eines Reiseveranstalters nicht, der von seinem Kunden für einen kurzfristigen Reiserücktritt den vollen Reisepreis haben wollte, weil dies so in den Buchungsbedingungen geregelt sei. Die Berliner Richter erachteten die Stornoregelung als eine unangemessene Benachteiligung des Kunden und verlangten vom Reiseveranstalter, dass dieser die tatsächlich durch den Reiserücktritt entstandenen Kosten offenlegte.

Auch eine Stornopauschale in Höhe von 30 Prozent des Reisepreises bei Rücktritt von der Reise bis 30 Tage vor Reisebeginn ist laut AG Bochum (Az. 39 C 9/20) nicht zulässig.

Muss die Reiserücktrittversicherung auch Bonusmeilen entschädigen?


Viele Fluggesellschaften haben in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt, dass eingesetzte Bonusmeilen für einen Flug bei einem Reiserücktritt wegen Krankheit nicht gutgeschrieben werden. Das sieht der BGH (Az. IV ZR 112/22) anders: Fluggäste haben einen Anspruch auf Entschädigung für Bonusmeilen mit denen sie einen Flug bezahlt haben, wenn diese unwiederbringlich verloren sind. Wie hoch die Entschädigung für Bonusmeilen angesetzt werden muss, haben die Karlsruher Richter offen gelassen.

Was kostet eine Reiserücktrittversicherung?


Die Kosten für eine Reiserücktrittversicherung hängen von verschiedenen Faktoren ab: Wird nur eine Reise abgesichert oder soll der Versicherungsschutz für mehrere Reisen geltend? Wird eine Selbstbeteiligung vereinbart oder nicht? Ist vom Versicherungsschutz der Reiserücktrittversicherung nur eine Person umfasst oder gilt er für die ganze Familie? Und oft spielt auch das Alter des Versicherungsnehmers eine Rolle. So kann eine Reiserücktrittversicherung für Senioren teurer sein. Es lohnt sich bei Reiserücktrittsversicherungen in jeden Fall ein Vergleich.

erstmals veröffentlicht am 03.07.2013, letzte Aktualisierung am 20.09.2024

Hilfe zur Anwaltssuche
Lesen Sie hier weitere Fachartikel im Themenbereich Reise & Freizeit
Hier finden Sie bundesweit Rechtsanwälte für Reiserecht