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Kategorie: Anwalt Arztrecht ,
22.08.2025 (Lesedauer ca. 6 Minuten, 1924 mal gelesen)
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Zahnersatz, Brille & Co: Welche Hilfsmittel zahlt die Krankenkasse?

junge Frau mit Haarband und Brille liest junge Frau mit Haarband und Brille liest © freepik - mko

Ob Zahnersatz, Sehhilfe oder Hörgerät: Hilfsmittel gehören für viele Menschen zum Alltag. Sie können Lebensqualität sichern oder sogar medizinisch notwendig sein. Doch längst nicht alles übernimmt automatisch die gesetzliche Krankenkasse. Auf welche Hilfsmittel haben Versicherte einen Anspruch? Was müssen sie selbst zahlen? Und was tun, wenn die gesetzliche Krankenkasse die Kostenübernahme für ein Hilfsmittel ablehnt?

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Was sind Hilfsmittel?


Hilfsmittel sind Gegenstände, die helfen, eine Behinderung oder eine Krankheit auszugleichen. Dazu gehören unter anderem orthopädische Hilfsmittel, wie Prothesen, Orthesen oder Einlagen, sowie medizinische Hilfsmittel, wie Rollstühle, Gehhilfen, Pflegebetten. Des weiteren technische Hilfsmittel, wie Hörgeräte, Sehhilfen, Kommunikationshilfen, und Inkontinenzhilfen, wie Windeln, Katheter.
Wichtig: Wellness- oder Lifestyle-Produkte, wie Sonnenbrillen ohne Sehstärke, kosmetischer Zahnersatz oder High-Tech-Features, zählen nicht dazu und werden nicht übernommen.

Unter welchen Voraussetzungen übernimmt die Krankenkasse die Kosten für Hilfsmittel?


Damit die Krankenkasse die Kosten für ein Hilfsmittel übernimmt, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss ein Arzt das Hilfsmittel verschreiben. Die ärztliche Verordnung ist die Grundlage für die Kostenübernahme. Weiterhin muss das Hilfsmittel medizinisch notwendig sein, um eine Krankheit zu behandeln oder eine Behinderung auszugleichen. Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt die Kosten für diese Hilfsmittel, wenn die Therapie oder Behandlung des Patienten dadurch positiv unterstützt. Zudem muss das Hilfsmittel wirtschaftlich und zweckmäßig sein.
Gesetzliche Versicherte haben einen Anspruch auf Hörhilfen, Sehhilfen, orthopädische Hilfen, Prothesen und weitere Hilfsmittel, die im sog. Hilfsmittelverzeichnis des GKV SV (Spitzenverband Bund der Krankenkassen) aufgeführt sind.

Wer muss die Kostenübernahme von Hilfsmitteln beantragen?


Der Antrag auf Kostenübernahme wird meist vom Leistungserbringer, zum Beispiel von einem Sanitätshaus, direkt bei der Krankenkasse eingereicht. Die Krankenkasse prüft den Antrag. Gegebenenfalls fordert sie zusätzliche Unterlagen oder Stellungnahmen an. Wird der Antrag genehmigt, übernimmt die Krankenkasse die Kosten für das Hilfsmittel.

Was tun, wenn die Krankenkasse die Kostenübernahme für Hilfsmittel ablehnt?


Lehnt die gesetzliche Krankenkasse die Kostenübernahme für ein Hilfsmittel ab, sollte man zunächst den Ablehnungsbescheid genau prüfen. Die Krankenkasse ist verpflichtet, die Entscheidung schriftlich und nachvollziehbar zu begründen. Im Ablehnungsbescheid müssen folgende Punkte stehen: Begründung der Ablehnung, die Rechtsgrundlage und den Hinweis auf das Widerspruchsrecht.
Gegen einen Ablehnungsbescheid haben Sie die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Der Widerspruch muss schriftlich, das heißt per Brief, Fax, E-Mail mit qualifizierter Signatur, und innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids eingelegt werden. Unser Tipp: Den Widerspruch zunächst formlos einlegen und die Begründung nachreichen. So läuft die Frist nicht ab.
Ein starker Widerspruch braucht eine medizinische Begründung. Daher sollten Versicherte ein detailliertes Attest oder eine fachärztliche Stellungnahme einholen und genau darlegen lassen, warum das Hilfsmittel notwendig ist sowie aufzeigen, welche Einschränkungen ohne das Hilfsmittel drohen.
Bleibt auch der Widerspruch erfolglos, können Versicherte Klage beim Sozialgericht einreichen. Hier fallen keine Gerichtskosten an und Klagen haben oft Erfolg, wenn die medizinische Notwendigkeit nachgewiesen ist.
Es empfiehlt sich daher einen Anwalt für Sozialrecht einzuschalten, insbesondere wenn es um größere Summen oder dringend benötigte Hilfsmittel geht.

Muss man einen Eigenanteil bei Hilfsmittel zahlen?


Gesetzlich Versicherte müssen in der Regel bei Hilfsmittel eine Zuzahlung leisten. Diese beträgt meist 10 % des Preises, mindestens jedoch 5 Euro und höchstens 10 Euro. Es gibt Höchstgrenzen für die Zuzahlungen. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind von Zuzahlungen befreit. Kosten für Hilfsmittel, die das notwendige Maß übersteigen, müssen vom Betroffenen selbst gezahlt werden.

Wann übernimmt die Krankenkasse die Kosten für eine Brille?


Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für eine Brille bei Erwachsenen, wenn eine Kurz- oder Weitsichtigkeit von mehr als 6 Dioptrien oder eine Hornhautverkrümmung von mindestens 4 Dioptrien vorliegt. Bei Blindheit (Stufe 1) werden ebenfalls die Kosten für eine Brille von der Krankenkasse getragen, gleiches gilt bei Patienten mit Verletzungen oder Erkrankungen am Auge.
Kinder und Jugendliche erhalten die Kosten für eine Brille komplett erstattet.

Was zahlt die Krankenkasse bei Hörgeräten?


Bei der Versorgung mit einem Hörgerät gibt es Festbeträge, die von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Diese unterscheiden sich je nach Krankenversicherung.
Das Hörgerät muss allerdings in der Lage sein die Schwerhörigkeit des Patienten auszugleichen. Schafft es das nicht, hat der Patient einen Anspruch auf Kostenübernahme eines höherwertigen – außerhalb des Festbetrags liegenden Hörgeräts, so das Bundessozialgericht (BSG) (Az. B 3 KR 20/08 R) und das Hessische Landessozialgericht (LSG) (Az. L 8 KR 352/11).
Umgekehrt gilt: Der Patient hat keinen Anspruch auf ein höherwertiges Hörgerät, wenn ein Kassengerät das gleiche Hörergebnis liefert, so das Sozialgericht (SG) Stuttgart (Az. S 16 KR 2563/12).
Das SG Düsseldorf (Az. S 8 KR 1441/15) hat klargestellt, dass ein Schwerhöriger gegenüber seiner Krankenkasse auch einen Anspruch auf Kostenübernahme für Bluetooth-Hörgeräte-Zubehör für Mobilfunktelefonie hat.

Was gilt für die Kostenübernahme von Prothesen?


Die Krankenkassen entscheiden selbst, welche Kosten sie in welcher Höhe bei Prothesen übernehmen. Hier wird die medizinische Notwendigkeit, bzw. der positive Nutzen mit der Wirtschaftlichkeit abgewogen.
Nach einer Entscheidung des SG Detmold (Az. S 5 KR 307/07) muss die Krankenkasse eine Beinprothese von rund 25.000 Euro bezahlen, wenn der Patient von dieser technisch hochwertigen Prothese profitieren wird.
Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz (Az. 6 K 1128/08.KO) verpflichtete die Krankenkasse zur Kostenübernahme einer computergesteuerten Beinprothese, da diese erhebliche Gebrauchsvorteile für den Patienten aufweist.
Beinamputierte Menschen haben zusätzlich einen Anspruch auf eine Badeprothese, so das BSG (Az. B 3 KR 2/08 R; B 3 KR 19/08 R; B3 KR 10/08).
Hat ein Patient zum Teil seine Hand verloren, muss die Krankenkasse eine maßgefertigte Silikon-Prothese bezahlen, so das Hessische LSG (Az. L 8 KR 477/20).
Auch die Kosten für ein Genium-Kniegelenk muss von der Krankenkasse übernommen werden, so das Hessische LSG (Az. L 1 KR 211/15).
Ebenso eine elektronische Unterarmprothese, entschied das SG Heilbronn (Az. S 15 KR 4576/11).
Aber: Eine Versorgung mit Cannabis gegen die Schmerzen einer zu großen Hoden-Prothese, hat das LSG Celle-Bremen (Az. L 16 KR 163/21 B ER) abgelehnt.

Welche Hilfsmittel werden sonst noch von der Krankenkasse übernommen?


Weitere Hilfsmittel werden von der Krankenkasse bis zu einem bestimmten Festbetrag bezahlt, wenn sie nicht ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sind. Die Kassen übernehmen auch Inhalationsgeräte für Asthmatiker, Blutzuckermessgeräte und Insulinpumpen für Diabetiker, Kompressionsstrümpfe bei Venenerkrankungen oder CPAP-Geräte für Schlafapnoe. Voraussetzung ist immer ein ärztliches Rezept sowie die Genehmigung der Krankenkasse.
Auch ein Laser-Langstock (Urteil des SG Koblenz, Az. S 11 SO 62/15), ein Therapiedreirad (SG Fulda, Az. S 11 KR 7/09) und ein Blindenhund (Urteil des LSG Baden-Württemberg, Az. L 4 KR 5486/05) sind medizinische Hilfsmittel, ein E-Bike hingegen nicht (Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen, Az.L 4 KR).

Welche Kosten werden von der Krankenkasse eim Zahnersatz übernommen?


Beim Zahnersatz leistet die Krankenkasse einen sog. Festzuschuss. Dieser ist abhängig vom Befund und entspricht in der Regel rund 60 Prozent der Kosten einer Standardtherapie. Hat der Patient ein Bonusheft über fünf Jahre geführt, erhält er 70 Prozent Festzuschuss, hat er das Bonusheft über 10 Jahre geführt, beträgt der Festzuschuss 75 Prozent. Für aufwendige Versorgungen, wie Implantate, bleibt oft ein erheblicher Eigenanteil. Eine private Zahnzusatzversicherung kann hier sinnvoll sein.
Wichtig ist, dass vor Beginn der Zahnbehandlung der Krankenkasse ein sog. Heil- und Kostenplan zur Prüfung vorgelegt wird. Nur in dem Fall ist eine Kostenerstattung durch die Krankenkasse möglich, so das LSG Niedersachsen (Az. L 4 KR 535/11). Dieser Heil- und Kostenplan verliert laut BSG (Az. B 1 KR 19/08 R) allerdings nach sechs Monaten seine Gültigkeit.
Damit ist klar: Gesetzlich Versicherte bleiben auf einem Großteil der Kosten für Zahnersatz sitzen.

Zahlt die Krankenkasse die Kosten für eine Zahnspange?


Eine Zahnspange ist nicht nur eine Frage der Ästhetik, sondern oft auch medizinisch notwendig. Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt die Kosten nur unter bestimmten Voraussetzungen. Maßstab sind die sogenannten Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG), die den Schweregrad der Zahn- oder Kieferfehlstellung in 5 Stufen einteilen: KIG 1–2: Leichte Fehlstellungen, keine Kostenübernahme, KIG 3–5: Deutlich ausgeprägte Fehlstellungen, Kasse übernimmt die Kosten.
Die Fehlstellung der Zähne muss den Patienten beim Sprechen, Kauen oder Beißen erheblich beeinträchtigen, damit die Krankenkasse die Kosten übernehmen muss, entschied das SG Stuttgart (Az. S 23 KR 6776/18).
Liegt kein medizinischer Härtefall vor, hat ein Jugendlicher keinen Anspruch gegenüber der Krankenkasse auf eine kieferorthopädische Wunschbehandlung, so das LSG Sachsen-Anhalt (Az. L 5 AS 472/11).
Wichtig: Die Kosten werden nur für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr übernommen. Erwachsene erhalten nur in sehr seltenen Ausnahmefällen, etwa bei schweren Kieferanomalien, Leistungen.
Gut zu wissen: Auch wenn die Krankenkasse grundsätzlich zahlt, müssen Eltern erst einmal einen Eigenanteil übernehmen. 20 Prozent der Kosten tragen die Eltern selbst. Bei mehreren Kindern mit Zahnspange sinkt der Anteil für das zweite Kind auf 10 Prozent.
Nach erfolgreichem Abschluss der Behandlung erstattet die Krankenkasse diesen Eigenanteil zurück.
Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt nur die medizinisch notwendige Standardversorgung. Viele Leistungen gelten als Privatleistung und müssen selbst gezahlt werden, zum Beispiel Keramik- oder Minibrackets für bessere Ästhetik, unsichtbare Zahnspangen, moderne Drahtsysteme für schnelleren Behandlungserfolg oder zusätzliche Diagnostik oder digitale 3D-Scans. Diese Mehrkosten können sich je nach Behandlung auf 1.000 bis 3.000 Euro oder mehr summieren.


erstmals veröffentlicht am 29.05.2020, letzte Aktualisierung am 22.08.2025

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