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Kategorie: Anwalt Familienrecht ,
18.11.2024 (Lesedauer ca. 6 Minuten, 2616 mal gelesen)
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Künstliche Befruchtung: Welche Kosten werden erstattet?

Künstliche Befruchtung: Welche Kosten werden erstattet? © freepik - mko

Die Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung in Deutschland hängt von mehreren Faktoren ab, darunter vom Versicherungsstatus, ob gesetzlich oder privat versichert, und von individuellen Voraussetzungen des Paares. Doch wann zahlt die gesetzliche Krankenversicherung eine künstliche Befruchtung? Welche Kosten bei einer künstlichen Befruchtung übernimmt die private Krankenversicherung? Wird eine künstliche Befruchtung von der Krankenkasse nur bei verheirateten Paaren übernommen?

Eine künstliche Befruchtung kann auf verschiedene Arten durchgeführt werden. Allen Methoden gemein ist, dass sie sehr teuer sind. Die Krankenkasse übernimmt in einigen Fällen die entstehenden Kosten. Es besteht zudem in manchen Fällen die Möglichkeit, die Kosten auch steuerlich geltend zu machen.

Wie läuft eine künstliche Befruchtung ab?


Spermien befruchten eine EizelleHinsichtlich der künstlichen Befruchtung sind zwei Verfahren anerkannt: Zum einen die In-Vitro-Fertilisation (IVF) oder die Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Bei erstgenanntem Verfahren erfolgt die Vereinigung von Eizelle und Sperma im Reagenzglas. Dagegen wird bei der Intracytoplasmatische Spermieninjektion eine männliche Samenzelle direkt in eine Eizelle injiziert.

Wie teuer ist eine künstliche Befruchtung?


Die In-Vitro-Fertilisation bringt Kosten von ca. 3.000 Euro mit sich, bei der Intracytoplasmatische Spermieninjektion muss man dagegen mit Kosten von ab 4.000 Euro rechnen.

Unter welchen Voraussetzungen zahlt die gesetzliche Krankenkasse für eine künstliche Befruchtung?


Die gesetzliche Krankenkasse beteiligt sich an den Kosten einer künstlichen Befruchtung zu 50 Prozent bei folgenden Behandlungen:
8 Inseminationen (IUI) ohne hormonelle Stimulation der Frau
3 Inseminationen (IUI) mit hormoneller Stimulation der Frau
3 Versuche der In-Vitro-Fertilisation (IVF)
3 Versuche der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) oder
2 Versuche des intratubaren Gameten-Transfers (GIFT)

Wichtig zu wissen: Die Krankenkasse kann die Kostenübernahme einer künstlichen Befruchtung bei drei Versuchen mit der gleichen Methode ablehnen, andere Methoden zählen nicht mit, entschied das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg (Az. L 16 KR 101/22).

Zahlt die gesetzliche Krankenkasse eine künstliche Befruchtung nur bei Ehepaaren?


Die zuvor aufgezeigte Möglichkeit der Kostenerstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung gilt nur für verheiratete Paare. Rechtsstreitigkeiten unverheirateter Paare blieben bisher ohne Erfolg.

Zahlt die gesetzliche Krankenkasse auch eine künstliche Befruchtung bei gleichgeschlechtlichen Paaren?


Ein homosexuelles Paar kann von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht die Übernahme der Kosten für eine Kinderwunschbehandlung fordern. Das entschied das Bundessozialgericht (BSG) (Az. B 1 KR 7/21 R). Begründung: Medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft sind nach dem Sozialgesetzbuch nur dann von der Krankenversicherung zu übernehmen, wenn ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden (homologe Insemination). Bei einer Verwendung von Spendersamen (heterologe Insemination) bei einer Kinderwunschbehandlung muss die gesetzliche Krankenkasse die Kosten nicht tragen.

h2>Ab welcher Altersgrenze lehnt die gesetzliche Krankenkasse die Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung ab?
Weitere Voraussetzung für die Kostenerstattung durch die gesetzliche Krankenkasse ist, dass beide Ehepartner zu Anfang eines jeden Behandlungszyklus mindestens 25 Jahre alt sind. Die Grenze für das Höchstalter der Frau beträgt 40 Jahre, entschied das BSG (Az. B 1 KR 12/08 R) im Jahr 2009 mit der Begründung, dass bei Frauen bereits jenseits des 30. Lebensjahres die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Befruchtung abnimmt und jenseits des 40. Lebensjahres gering ist.

Ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) (Az. IV ZR 323/18) aus dem Jahr 2019 hat dieser Auffassung eine Absage erteilt: Danach ist die Krankenkasse auch bei älteren Frauen verpflichtet die Kosten für eine künstliche Befruchtung zu übernehmen. Eine medizinische Notwendigkeit der Behandlung sei nur dann nicht mehr gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Embryotransfer bei weniger als 15 Prozent liegt. Die altersspezifischen Risiken, wie etwa eine Fehlgeburt, gehören laut Gericht zum allgemeinen Lebensrisiko werdender Eltern und sind daher unbeachtlich. Etwas anderes gelte nur, wenn es individuelle Gründe beim Gesundheitszustand der Frau gibt, die eine Lebendgeburt unwahrscheinlich machen.

Zahlt die gesetzliche Krankenkasse nur bei Feststellung der Unfruchtbarkeit?


Entscheiden ist auch, aus welchem Grund keine natürliche Befruchtung zustande kommt. Für diese medizinische Indikation gibt es besondere Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten und Krankenkassen (G-BA). Nach diesen Regeln kann ein geeigneter medizinischer Befund, zum Beispiel die zu geringe Beweglichkeit der männlichen Spermien sein. Die Unfruchtbarkeit muss ärztlich attestiert sein.

Muss man der gesetzlichen Krankenkasse einen Behandlungsplan vorlegen?


Nur wenn der behandelnde Arzt einen Behandlungsplan bzw. Kostenplan aufgestellt hat, übernimmt die gesetzliche Krankenkasse einen Teil der Kosten. Genauso, wie bei einer teuren Zahnbehandlung, muss der Kostenplan vor Behandlungsbeginn zusammen mit einem Antrag auf Kostenübernahme bei der Kasse eingereicht werden. Wurde dies versäumt, gibt es kein Geld.

Aus welchen Gründen kann die gesetzliche Krankenkasse eine Kostenbeteiligung bei einer künstlichen Befruchtung ablehnen?


Hat sich ein Ehepartner freiwillig sterilisieren lassen, ist die Kostenübernahme grundsätzlich ausgeschlossen. Zur endgültigen Klärung müssen sich die Eheleute an ihre Krankenkasse wenden. Liegt eine HIV-Infektion vor, ist eine Kostenerstattung ebenfalls ausgeschlossen. Beide Partner müssen per HIV-Test nachweisen, dass sie nicht infiziert sind.

Fremde Eizellen oder Spermien können natürlich grundsätzlich im Rahmen der künstlichen Befruchtung verwendet werden. Allerdings beteiligt sich die Krankenkasse dann nicht an den Kosten.

Was gilt, wenn die Eheleute unterschiedlich krankenversichert sind?


Eine Krankenkasse ist immer nur für die Person zuständig, die auch bei ihr versichert ist. Ist ein Ehepartner bei der einen und der andere Ehepartner bei einer anderen Krankenkasse versichert, ist diejenige Krankenkasse des Partners Ansprechpartner, bei dem das medizinische Problem vorliegt.

Welche Kosten bei einer künstlichen Befruchtung übernehmen die privaten Krankenkassen?


Die private Krankenversicherung entscheidet individuell über die Kostenübernahme, abhängig von den vertraglichen Vereinbarungen. Häufig sind die Leistungen umfassender als bei der GKV. Ob sich eine private Krankenversicherung an den Kosten beteiligt, hängt vom individuellen Versicherungsvertrag (Versicherungstarif) ab. Teilweise gelten ähnliche Voraussetzungen wie bei den gesetzlichen Kassen. Allerdings sollte sich der Versicherte vor einer Behandlung genau erkundigen. Es ist ratsam, den Versicherungsvertrag genau zu prüfen und Rücksprache mit der Versicherung zu halten.

Eine künstliche Befruchtung im Ausland muss die private Krankenversicherung nicht bezahlen, entschied der BGH (Az. IV ZR 141/16).

Zahlt die private Krankenversicherung für eine künstliche Befruchtung bei unverheirateten Paaren?


SchwangerschaftstestIm Jahr 2017 wurde vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe ein Fall verhandelt, in dem eine privat versicherte Frau eine erfolglose künstliche Befruchtung hatte durchführen lassen – und zwar vor ihrer Hochzeit. Nach der Hochzeit verlangte sie nun Kostenerstattung von ihrer Krankenversicherung. Zusätzlich verlangte sie die Kostenzusage ihrer privaten Krankenkasse für weitere Anläufe. Hinzu kam, dass die Frau nicht komplett unfruchtbar war, sondern die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Schwangerschaft durch eine Chromosomen-Veränderung auf 50 Prozent reduziert war.

Da eine 50 prozentige Wahrscheinlichkeit bestand, dass die Frau auch auf natürlichem Wege Kinder bekommen könne und zudem die erste Behandlung ohne Trauschein stattgefunden hatte, lehnte die private Krankenkasse die Kostenerstattung ab. Das Oberlandesgericht Karlsruhe folgte dieser Argumentation nicht und verurteilte die Krankenversicherung zu Erstattung der Kosten für die voreheliche Behandlung. Dem stünde nicht entgegen, dass die gesetzlichen Krankenkassen nur Verheirateten die Kosten (teilweise) erstattet, denn der Grund hierfür seien gesellschaftspolitische Erwägungen. Gesellschaftspolitik spiele bei einer privaten Krankenkasse dagegen keine Rolle. Allerdings dürfe die Versicherung eine Beschränkung auf drei künstliche Befruchtungsversuche vornehmen.

Die Klägerin durfte zusätzlich auch die Erstattung der Kosten von Behandlungsmaßnahmen zum Ausschluss genetischer Schädigungen des Embryos fordern. Das Gericht begründete dies damit, dass dieses Risiko auf eine Krankheit der Klägerin und damit auf einen Versicherungsfall zurückzuführen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof Kassel (Az. 1 A 731/17) hat entschieden, dass auch ein unverheiratetes Beamten-Paar die Kosten für eine künstliche Befruchtung als Beihilfeleistung erstattet bekommt. Die Hessische Beihilfeverordnung mache bei den Leistungen für medizinische Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung kein Unterschied zwischen verheirateten oder unverheirateten Beamten. getroffen.

Welche Kosten müssen bei einer künstlichen Befruchtung auch bei einer Übernahme durch die Krankenkasse immer vom Patienten getragen werden?


Auch bei teilweiser Übernahme der Kosten einer künstlichen Befruchtung durch die Krankenkassen bleibt für den Patienten ein Eigenanteil, der stark variieren kann - oft mehrere tausend Euro pro Versuch. Auch die Kosten für Medikamente werden nur teilweise von der Krankenkasse übernommen. Auch hier kann der Eigenanteil erheblich sein.

Können die Kosten für eine künstliche Befruchtung steuerlich geltend gemacht werden?


Ja und zwar als „außergewöhnliche Belastung“. Natürlich gilt das nur für den Teil der Behandlungskosten, der von der Krankenkasse nicht erstattet wird. Erforderlich ist allerdings, dass der Eigenanteil die sogenannte “zumutbare Eigenbelastung” überschreitet. Das wiederum hängt vom persönlichen Einkommen ab.

Die steuerliche Absetzbarkeit der Kosten gilt übrigens auch für unverheiratete Paare, welche die kompletten Kosten wie oben beschrieben selbst tragen müssen.

Werden die Kosten der künstlichen Befruchtung komplett selbst getragen, ist die steuerliche Geltendmachung auch dann möglich, wenn fremdes Sperma verwendet wird.

Gilt die Steuererleichterung für eine künstliche Befruchtung auch für gleichgeschlechtliche Paare?


Im Jahr 2017 (Az. VI R 47/15) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass auch eine Frau in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung die Kosten einer künstlichen Befruchtung als außergewöhnliche Belastung von der Steuer absetzen kann. Allerdings nur dann, wenn die Frau tatsächlich unfruchtbar ist. Voraussetzung ist außerdem, dass die Behandlung nicht im Widerspruch zu den ärztlichen Berufsordnungen der Bundesländer steht. Die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft sei nach den Berufsordnungen jedoch kein Hindernis. Der Bundesfinanzhof urteilte, dass der volle Betrag in Höhe von 8.500 Euro steuerlich absetzbar sei.


erstmals veröffentlicht am 24.01.2020, letzte Aktualisierung am 18.11.2024

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