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Kategorie: Anwalt Familienrecht ,
17.06.2024 (Lesedauer ca. 6 Minuten, 2866 mal gelesen)
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Kindesunterhalt – Wer zahlt wann wie viel?

Kindesunterhalt – Wer zahlt wann wie viel? © freepik - mko

Der Kindesunterhalt ist eine finanzielle Unterstützung, die ein Elternteil im Fall einer Trennung an den anderen Elternteil zahlt, um die Bedürfnisse des gemeinsamen Kindes oder der gemeinsamen Kinder zu decken. Kindesunterhalt zahlt der Elternteil, bei dem das Kind nicht hauptsächlich lebt. Doch wer muss Kindesunterhalt im Wechselmodell zahlen? Wie lange muss Kindesunterhalt geleistet werden? Kann Kindesunterhalt auch rückwirkend verlangt werden? Was tun, wenn Kindesunterhalt vom Unterhaltspflichtigen nicht gezahlt wird?

Wer muss welchen Kindesunterhalt zahlen?


Eltern sind gegenüber ihren Kindern zum Unterhalt verpflichtet, wenn diese sich nicht selbst versorgen können – was in der Regel zumindest bei minderjährigen Kindern der Fall ist.
Trennen Eltern sich leistet der Elternteil, bei dem das Kind lebt, einen sog. Naturalunterhalt. Dieser besteht beispielsweise aus Essen, Kleidung, Unterkunft. Der Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, ist zum sog. Barunterhalt verpflichtet.

Ausnahme: Der betreuende Elternteil erzielt deutlich mehr Einkünfte, als der Elternteil, der zum Barunterhalt verpflichtet ist. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) (Az. XII ZR 70/09) kann der Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Elternteils erhöht werden, wenn der betreuende Elternteil ein 50prozentig höheres Einkommen erzielt.

Laut BGH (Az. XII ZB 297/12) entfällt die Unterhaltspflicht komplett, wenn die Einkünfte des betreuenden Elternteils dreimal so hoch sind, wie die des Barunterhaltspflichtigen.

Der Barunterhalt kann gekürzt werden, wenn eine gleichwertige Kinderbetreuung durch das barpflichtige Elternteil erfolgt. Davon ist allerdings bei sechs Übernachtung des Kindes beim Barunterhaltspflichtigen noch nicht auszugehen, entschied das Oberlandesgericht Brandenburg (Az. 15 UF 64/06).

Die Unterhaltspflicht ist unabhängig davon, wer das Sorgerecht besitzt.

Der BGH (Az. XII ZB 123/21) hat klargestellt, dass ausnahmsweise auch Großeltern Kindesunterhalt leisten müssen, wenn sie dies finanziell können und die Eltern dazu nicht in der Lage sind.

Wann wird Kindesunterhalt gezahlt?


Der Kindesunterhalt wird monatlich im Voraus gezahlt. Er beginnt in der Regel ab dem Zeitpunkt, an dem die Eltern getrennt leben oder ein Elternteil offiziell die Unterhaltsansprüche geltend macht.

Wie lange muss ich Kindesunterhalt zahlen?


Eltern sind einem Kind bis zum Abschluss der ersten Berufsausbildung unterhaltspflichtig. Bei einem Studium ist die Regelstudienzeit als Anhaltspunkt zu nehmen.

Die Unterhaltspflicht entfällt nur, wenn das Kind mit Eintritt seiner Volljährigkeit selbst genug Einkommen erzielt. Verdient das Kind etwa neben seinem Studium selbst etwas dazu, kann das den Unterhaltsanspruch reduzieren.

Wie berechne ich den konkreten Kindesunterhalt?


Die Höhe des Kindesunterhalts wird anhand der sog. Düsseldorfer Tabelle ermittelt, die allerdings keine Gesetzeskraft besitzt, sondern als Richtlinie für die Unterhaltsberechnung von den Gerichten herangezogen wird. Die Düsseldorfer Tabelle wird in der Regel alle zwei Jahre aktualisiert wird. Die nächste Erhöhung des Kindesunterhalts wird zum 1. Januar 2023 erfolgen.

Maßgeblich sind bei der Berechnung des monatlichen Kindesunterhalts das monatliche bereinigte Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen wie auch die Altersgruppe des Kindes. Die Düsseldorfer Tabelle ist in unterschiedliche Einkommensstufen und Altersgruppen/ bzw. Bedarfsgruppe für volljährige Kinder eingeteilt. Damit wird sie dem steigenden Bedarf eines Kindes je nach Lebensalter wie auch seinem gewohnten Lebensstandard gerecht. In der Düsseldorfer Tabelle wird der jeweilige Mindestunterhalt für das Kind aufgeführt sowie der jeweilige sog. Selbstbehalt, also das monatliche Existenzminimum des Unterhaltspflichtigen.

Bis zur Höhe des Wohnvorteils können neben den Zinszahlungen auch die Tilgung für eine selbstgenutzte Immobilie beim Kindesunterhalt berücksichtigt werden. Ist aber durch eine hohe Tilgung die Zahlung des Kindesunterhalts gefährdet, kann vom Unterhaltspflichtigen eine Tilgungsstreckung verlangt werden, entschied der BGH (Az. XII ZB 233/21).

Leben die Kinder im Ausland, ist die Düsseldorfer Tabelle nicht ohne weiteres anwendbar, entschied das Oberlandesgericht Koblenz (Az. 7 WF 216/07), sondern der Lebensstandard des Kindes ist entscheidend. Das kann auch zu weniger Kindesunterhalt führen.

Wie hoch ist mein Selbstbehalt?


Als Selbstbehalt wird das monatliche Existenzminimum des Unterhaltspflichtigen bezeichnet. Der Selbstbehalt liegt derzeit bei 1.200 Euro für einen nichterwerbstätigen Unterhaltspflichtigen und bei einem erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen bei 1.450 Euro.

Unterhaltsberechnung: Anwalt für Familienrecht fragen!


Die Berechnung des Kindesunterhalts ist im Einzelfall nicht einfach. Basis der Berechnung ist das sog. bereinigte Nettoeinkommen, das heißt beim tatsächlich erzielten Nettoeinkommen werden Beträge ab- oder hinzugezogen. Welche Einkünfte oder Ausgaben hier konkret eine Rolle spielen, weiß ein Anwalt für Familienrecht. Online-Kindesunterhaltsrechner können immer nur Richtwerte für den Kindesunterhalt liefern.

Was versteht man unter Mehrbedarf oder Sonderbedarf?


Entstehen Kosten, die nicht vom Grundbedarf eines Kindes nach den Regelsätzen der Düsseldorfer Tabelle erfasst sind, handelt es sich um Mehr- oder Sonderbedarf. Auch diese Kosten müssen vom Unterhaltspflichtigen unter Umständen übernommen werden, wenn sie sachlich notwendig sind.

Als Mehrbedarf werden Kosten bezeichnet, die zum Lebensbedarf des Kindes gehören, aber die üblichen Lebensbedarfskosten übersteigen. Dazu gehören etwa Kosten für prívate Therapiestunden aufgrund einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (BGH, Az. XII ZB 298/12), Nachhilfe (Oberlandesgericht Düsseldorf; Az. II-3 UF 21/05) oder auch Reitstunden (Oberlandesgericht Frankfurt; Az. 6 UF 323/13). Die Kosten für ein privates juristisches Repetitorium wurden als Mehrbedarf vom Oberlandesgericht Hamm (Az. 6 WF 298/12) ablehnt.

Als Sonderbedarf wird ein plötzlich auftretender außergewöhnlich hoher, meist einmaliger, Bedarf bezeichnet. Dies ist etwa bei unerwarteten Arztkosten der Fall, die nicht von der gesetzlichen Krankversicherung übernommen werden (BGH; Az. IVb ZR 608/80), bei Kosten für eine kieferorthopädischen Behandlung des Kindes (Kammergericht Berlin; Az.13 UF 125/16) oder bei Kosten für eine Baby-Erstausstattung (Oberlandesgericht Koblenz, Az. 11 UF 24/09).

Werden Kindergeld und Kinderzuschlag beim Kindesunterhalt angerechnet?


Bei der Berechnung des Kindesunterhalts spielt auch das monatliche Kindergeld eine Rolle. Dieses erhält in der Regel der betreuende Elternteil von der Familienkasse ausgezahlt. Die Hälfte des Kindergeldes steht aber dem Unterhaltspflichtigen zu, so das dieser Betrag vom Barunterhalt abgezogen wird.

Auch der Kinderzuschlag wird bei der Berechnung des Kindesunterhalts als Einkommen des Kindes berücksichtigt, entschied das Oberlandesgericht Hamm (Az. 4 UF 21/19).

Wann muss ein Unterhaltspflichtiger keinen Kindesunterhalt mehr zahlen?


Die Unterhaltspflicht entfällt bspw., wenn das volljährige Kind eigene Einkünfte erwirtschaftet, keine Ausbildung oder Studium absolviert oder wenn es heiratet. Die Pflicht zum Kindesunterhalt entfällt auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige nicht mehr leistungsfähig ist.

Was gilt beim Wechselmodell im Hinblick auf den Kindesunterhalt?


Praktizieren die Eltern das sog. Wechselmodel, das heißt sie teilen sich die Betreuung des Kindes zu gleichen Teilen und das Kind lebt auch bei beiden Eltern zu gleichen Teilen - etwa im wöchentlichen Wechsel – sind sie beide barunterhaltspflichtig. Die Höhe des Barunterhalts berechnet sich nach dem Einkommen des jeweiligen Elternteils (BGH, Az. XII ZB 599/13).

Für das Kammergericht Berlin (Az. 13 UF 89/16) liegt bei einem Betreuungsverhältnis von 45 Prozent zu 55 Prozent kein echtes Wechselmodell vor, bei dem der Unterhalt gequotelt werden muss. Das Elternteil mit der geringeren Betreuungsleistung ist alleine zum Barunterhalt verpflichtet.

Bei wechselnder Betreuung des Kindes gilt: Barunterhaltspflichtig ist der Elternteil bei dem nicht das Schwergewicht der Kinderbetreuung liegt, entschied der Bundesgerichtshof (Az. XII ZR 161/04).

Der Bundesgerichtshof (Az. 2 StR 171/23) hat klargestellt, dass Eltern mit einem gemeinsamen Sorgerecht, die ihre Kinder im Wechselmodell betreuen, die gegenseitigen Ansprüche auf Unterhalt im Namen der Kinder gegeneinander geltend machen können. Ein Ergänzungspfleger ist nicht notwendig.

Muss ich auch nach Verlust des Arbeitsplatzes weiter Kindesunterhalt zahlen?


Ein Unterhaltspflichtiger, der mutwillig den Verlust seines Arbeitsplatzes riskiert, muss nach einer Entscheidung des BGHs (Az. XII ZR 79/98) den Mindestsatz an Kindesunterhalt zahlen.

Auch zu wenig Einkommen führt nicht zur Zahlung von weniger Kindesunterhalt. Verdient ein Unterhaltspflichtiger zu wenig, um seinem Kind Unterhalt zahlen zu können, muss er einen zusätzlichen 400-Euro-Job annehmen, entschied das Amtsgericht München (Az. 554 F 10908/06).

Kann Kindesunterhalt rückwirkend von mir verlangt werden?


Grundsätzlich kann Kindesunterhalt nicht rückwirkend eingefordert werden. Dies ist nur dann ausnahmsweise möglich, wenn der Unterhaltspflichtige sich im Zahlungsverzug mit dem Kindesunterhalt befindet und entsprechend angemahnt wurde. Wurde er aufgefordert Auskünfte über sein Einkommen zu erteilen, muss er ab diesem Monat (rückwirkend) Kindesunterhalt zahlen.

Kann der Anspruch auf Kindesunterhalt verwirken?


Aufgepasst: Der Anspruch auf Kindesunterhalt kann verwirken, wenn er eine längere Zeit nicht geltend gemacht wurde, obwohl der Anspruchsberechtigte dazu in der Lage gewesen wäre, entschied das Oberlandesgericht Hamm (Az. 6 UF 196/13). Dabei reicht ein Jahr untätig bleiben für eine Verwirkung des Kindesunterhalts aus.

Was kann ich tun, wenn Kindesunterhalt nicht gezahlt wird?


Kommt der Unterhaltspflichtige seiner Verpflichtung zur Zahlung des Kindesunterhalts nicht nach, sollten sich der betreuende Elternteil schnell an das zuständige Jugendamt wenden und einen Unterhaltsvorschuss beantragen. Der Unterhaltsvorschuss beträgt seit dem 1.1.2024 für Kinder bis zum 6. Lebensjahr monatlich bis zu 230 Euro, für Kinder bis zum 12, Lebensjahr monatlich bis zu 301 Euro, für Kinder von 12 bis 17 Jahren bis zu 396 Euro.

Nach Bewilligung des Antrags auf Unterhaltsvorschuss wird dem Barunterhaltspflichtigen mitgeteilt, dass er nun den Kindesunterhalt nicht mehr an den betreuenden Elternteil, sondern an die Unterhaltsvorschusskasse zahlen muss.

Wichtig ist aber gleichzeitig einen Anwalt für Familienrecht aufzusuchen. Er fordert den Barunterhaltspflichtigen auf seine Einkommensverhältnisse offen zu legen und setzt den Kindesunterhaltsanspruch notfalls gerichtlich durch.




erstmals veröffentlicht am 24.01.2020, letzte Aktualisierung am 17.06.2024

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