Winterdienst und Streupflicht: Was gilt für die Kommune?

Im Winter muss die Kommune Straßen und Wege von Schnee und Eis freihalten, um Glätteunfälle von Autofahrern, Radfahrern und Fußgängern zu verhindern. Doch wann und wo muss der kommunale Winterdienst durchgeführt werden? Können Anwohner ein bestimmtes Streugut von der Kommune verlangen? Und wann haften Kommunen bei Glätteunfällen auf öffentlichen Straßen und Wegen?
- Wo muss die Kommune Schnee räumen und bei Glätte streuen?
- Wann muss der kommunale Winterdienst erfolgen?
- Kann der Winterdienst auf Grundstückseigentümer übertragen werden?
- Können Bürger ein bestimmtes Streugut beim Winterdienst verlangen?
- Können Bürger die Durchführung des Winterdienstes durch die Kommune einklagen?
- Wir sollten Bürger bei der Klage auf Winterdienst vorgehen?
- Wann haftet die Kommune bei Glätteunfällen aufgrund von Schnee und Eis?
Wo muss die Kommune Schnee räumen und bei Glätte streuen?
Die Winterdienstpflichten der Kommunen regeln Straßen- und Wegegesetze sowie Straßenreinigungsgesetze der einzelnen Bundesländer. Meist umfasst der kommunale Winterdienst öffentliche Straßen innerhalb der geschlossenen Ortschaft, Bundesfernstraßen, Landstraßen und Kreisstraßen, das Schneeräumen und Streuen auf den Fahrbahnen und Gehwegen. Bei der Frage, welche Straßen geräumt werden müssen, spielt laut Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Az. 11 U 17/16) die Gefährlichkeit, die Verkehrsstärke, die Gefährlichkeit und die Wichtigkeit der Straße eine Rolle. Bei Straßen außerhalb der Ortschaft mit geringer Bedeutung trifft die Kommune keine generelle Pflicht zum Winterdienst, stellt das Gericht klar. Auch das Landgericht (LG) Gera (Az. 2 O 2235/03) stellt im Fall eines wegen Glatteis verunglückten Fahrradfahrer klar: Die Kommune muss nicht überall, sondern bei Straßenglätte nur an wichtigen Straßenstellen streuen und räumen. Das Gericht lehnte die Haftung der Kommune für den Fahrradunfall ab.
Auch belebte öffentliche Parkplätze müssen von Schnee und Eis durch die Kommune befreit werden, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) (Az. III ZR 32/65). Können Autofahrer auf einem öffentlichen Parkplatz mit wenigen Schritten den geräumten Fußgängerweg erreichen, muss der Parkplatz nicht von der Kommune geräumt werden, so das Thüringer OLG (Az.3 U 181/00). Auch das OLG Celle (Az. 9 U 109/04) entschied, dass die Stellflächen und die Zwischenräume zwischen den Autos auf einem öffentlichen Parkplatz nicht von der Kommune gestreut werden müssen, wenn ein angrenzender, gestreuter Fußweg mit nur wenigen Schritten zu erreichen ist.
Der Winterdienst auf einem öffentlichen Parkplatz umfasst nicht die Pflicht, diesen völlig schnee- und eisfrei zu halten. Von Passanten kann erwartet werden, dass sie gut sichtbare Eisflächen umgehen, entschied das OLG Koblenz (Az. 5 U 1418/11).
Wann muss der kommunale Winterdienst erfolgen?
Die Kommune ist nicht verpflichtet rund um die Uhr zu streuen, so der Bundesgerichtshof (Az. VI ZR 163/08) und das LG Bonn (Az. 1 O 463/03). In der Regel wird der Winterdienst von der Kommune zwischen 7 und 20 Uhr geleistet. Das Landgericht München I (Az. 6 O 23924/04) hält den morgendlichen Winterdienst ab 6.30 Uhr für erforderlich. An Sonn- und Feiertagen muss die Kommune den morgendlichen Winterdienst laut einer Entscheidung des OLG Oldenburg (Az. 6 U 90/01) nicht vor 9 Uhr erledigen.
Grundsätzlich ist die Kommune nur bei allgemeiner Glättebildung zum Winterdienst verpflichtet, entschied das OLG Brandenburg (Az. 2 U 8/07). Vereinzelt auftretende Glätte löst noch keine Streupflicht aus.
Auch alleine eine Wettervorhersage von Glatteisbildung begründet noch nicht die Pflicht zum Winterdienst auf öffentlichen Straßen, entschied das OLG Hamm (Az. 11 U 17/16).
Kann der Winterdienst auf Grundstückseigentümer übertragen werden?
Der Winterdienst kann von der Kommune auch auf Dritte übertragen werden. So werden meist das Räumen und Streuen von Gehwegen auf die angrenzenden Grundstückseigentümer per kommunaler Satzung abgewälzt. Auch die Pflicht eine Fahrbahn zu räumen oder zu streuen, kann die Kommune per Satzung auf die Straßenanlieger übertragen, so das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Az. OVG 9 B 20.14 und OVG 9 B 21.14).
Können Bürger ein bestimmtes Streugut beim Winterdienst verlangen?
Bürger haben keinen Anspruch darauf, auf welche Weise die Gemeinde ihrer Pflicht zur Winterwartung nachkommt. Dies entschied das Verwaltungsgericht Aachen (Az. 6 L 539/10) im Fall eines Anwohners, der von der Kommune verlangte, die vor seinem Grundstück verlaufende Straße mit Salz oder einem Lavagemisch zu streuen. Das Gericht verwies darauf, dass das Straßen- und Wegegesetz des Landes NRW den Gemeinden eine Reinigungspflicht und Winterdienstpflicht für bestimmte Straßen auferlegt, daraus ergebe sich aber kein einklagbarer Anspruch des Straßennutzer auf eine bestimmte Durchführung des Winterdienstes.
Können Bürger die Durchführung des Winterdienstes durch die Kommune einklagen?
Ja, Bürger können in bestimmten Fällen die Durchführung des Winterdienstes durch die Kommune einklagen, wenn diese ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachkommt. Die Verkehrssicherungspflicht kann sich aus der Verpflichtung der Kommune zum Winterdienst aufgrund der Straßengesetzen der Bundesländer (z. B. Straßengesetz NRW, BayStrWG), kommunalen Satzungen, die die Räum- und Streupflichten genauer regeln oder der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht ergeben, wonach Kommunen dafür sorgen müssen, dass öffentliche Straßen, Wege und Plätze sicher nutzbar sind. Der Winterdienst der Kommune hat sich an der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit zu orientieren. Priorität liegt auf stark frequentierten Bereichen wie Hauptverkehrsstraßen, Gehwegen an Schulen, Haltestellen oder Krankenhäusern. In weniger genutzten Nebenstraßen oder ländlichen Gebieten kann die Kommune geringere Anforderungen ansetzen.
Ein Bürger kann die Kommune zur Durchführung des Winterdienstes auffordern oder einklagen, wenn die Kommune ihre Räum- oder Streupflichten grob vernachlässigt, etwa bei Gefahrenstellen, wie bei steile Straßen, Kreuzungen oder Bus-Haltestellen. Klagen kann der Bürger auch, wenn eine konkrete Gefahr für die Verkehrsteilnehmer, zum Beispiel aufgrund von stark vereister Fahrbahnen oder Gehwegen, vorliegt. Eine wichtige Voraussetzung für eine zulässige Klage gegen die Kommune auf Durchführung des Winterdienstes ist, dass der Winterdienst nicht auf die Anlieger übertragen wurde oder diese ihre Pflicht ebenfalls vernachlässigen.
Aber: Ein Bürger kann die Durchführung des Winterdienstes auf seiner öffentlichen Grundstückszufahrt nicht gegenüber der Kommune einklagen, entschied das VG Stuttgart (Az. 13 K 1233/08). Der Anspruch auf Durchführung des Winterdienstes besteht für Bürger nur, wenn bei Schnee- und Eisglätte eine Gefahr für Leib und Leben besteht. Ansonsten dienen die Regelungen zum kommunalen Winterdienst laut Gericht nur dem Allgemeininteresse an der Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs und begründen keine vom Bürger einklagbare Räum- und Streupflicht.
Wir sollten Bürger bei der Klage auf Winterdienst vorgehen?
Zunächst empfiehlt es sich die zuständige Behörde, etwa den Bauhof oder das Ordnungsamt zu informieren und dort die Durchführung des Winterdienstes zu fordern. Es ist ratsam, diese Aufforderung schriftlich mit einer Fristsetzung einzureichen.
Wenn die Kommune trotz Aufforderung untätig bleibt, ist eine Klage möglich: In der Regel handelt es sich um eine Leistungsklage, die auf die Erfüllung der Räum- oder Streupflichten gerichtet ist. Das zuständige Verwaltungsgericht entscheidet über die Klage.
Wichtig: Bürger tragen zunächst die Kosten des Verfahrens. Bei Erfolg können sie diese von der Kommune zurückfordern, bei Erfolglosigkeit bleiben Sie auf den Kosten sitzen.
Wann haftet die Kommune bei Glätteunfällen aufgrund von Schnee und Eis?
Kommt die Kommune ihrer Pflicht zum Winterdienst nicht oder nicht ordnungsgemäß nach, haftet sei bei einem Glätteunfall auf Schadensersatz.
Eine Kommune haftet bei einem Glätteunfall aber nicht wegen der Verletzung der Streupflicht, wenn sie ihren Verpflichtungen aus dem Streuplan nachkommt und dieser Streuplan eine sichere Erfüllung des Winterdienstes gewährleistet, entschied das OLG Hamm (Az. 2010 I-9 U 113/10).
Eine Fußgängerin, die im Winter auf einer glatten Fußgängerbrücke gestürzt war und sich dabei Verletzungen am Sprunggelenk zu gezogen hatte, scheiterte vor dem Bundesgerichtshof mit ihrer Schadensersatzklage gegenüber der Kommune. Laut BGH (Az. III ZR 225/08) hat die Kommune ihre Streupflicht nicht verletzt, da zum Zeitpunkt des Sturzes keine allgemeine Glättebildung bestanden, sondern nur einzelne Glättestellen, die die Kommune noch nicht zum Winterdienst veranlassen.
Die Winterdienstpflicht der Kommune für Gehwege gilt nur gegenüber Fußgängern. Kommt ein Fahrradfahrer auf einem Gehweg wegen Glätte zum Sturz, haftet die Kommune auch dann nicht, wenn nicht ausreichend gestreut war, so das OLG Oldenburg (Az. 6 U 150/02).
Die Kommune haftet auch nicht für den Sturz eines Fahrradfahrers auf einem eisglatten Weg, wenn die Glätte für den Radfahrer gut erkennbar war und er sein Fahrverhalten hätte entsprechend anpassen müssen, so das LG Osnabrück (Az. 8 O 814/04).
Stürzt ein Radfahrer Ende März aufgrund von ausgebrachtem und liegen gelassenen Streugut, begründet dies noch kein Anspruch auf Schadensersatz, entschied das OLG Schleswig (Az. 7 U 25/19). Die Kommune ist nicht verpflichtet ordnungsgemäß ausgebrachtes Streugut sofort wieder zu beseitigen.
erstmals veröffentlicht am 10.01.2013, letzte Aktualisierung am 13.01.2025
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