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Kategorie: Anwalt Familienrecht , 26.04.2024 (Lesedauer ca. 7 Minuten, 2361 mal gelesen)

Anfechtung der Vaterschaft: Was muss ich dazu wissen?

Trauriges Kind sitzt zwischen Vater und Mutter Trauriges Kind sitzt zwischen Vater und Mutter © freepik - mko

Die Anfechtung einer Vaterschaft ist für alle Beteiligten ein hochemotionaler Akt mit tiefgreifenden Auswirkungen. Wie läuft ein Vaterschaftstest ab? Darf man heimlich einen Vaterschaftstest machen? Wer kann eine Vaterschaft anfechten? Wie läuft eine Anfechtung einer Vaterschaft ab? Gibt es eine Frist zur Anfechtung der Vaterschaft? Und welche Auswirkungen hat eine erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung?

Wie läuft ein Vaterschaftstest ab?


Bei einem Vaterschaftstest werden von allen Betroffenen – Vater, Mutter, Kind – Gewebeproben entnommen. Dies kann als Abstrich von der Mundschleimhaut mittels eines speziellen Vaterschaftstest-Kit von den Betroffenen selbst oder durch eine Blutentnahme beim Arzt erfolgen. Beides ist als Beweis vor Gericht verwertbar. Die Proben werden dann an ein spezielles Labor eingeschickt. Dort wird die DNA aus den Gewebeproben isoliert und mit unterschiedlichen Methoden analysiert. In der Regel werden 15 bis 40 sog. DNA-Marker analysiert. Je mehr DNA-Marker untersucht werden, desto sicherer, aber auch desto teurer, ist der Vaterschaftstest. Die Auswertung der Testergebnisse dauern in der Regel nur wenige Tage. Das Ergebnis eines Vaterschaftstests kann eine Vaterschaft mit Sicherheit ausschließen und mit bis zu 99,9 prozentiger Wahrscheinlichkeit eine Vaterschaft bestätigen – was vor Gericht ausreicht! Die Kosten für einen Vaterschaftstest belaufen sich je nach DNA-Verfahren zwischen 150 und 400 Euro.

Übrigens: Der Bundesgerichtshof (BGH) (Az. XII ZB 20/14) hat entschieden, dass zur Feststellung einer Vaterschaft sogar eine Exhumierung gefordert werden kann, da das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung gewichtiger ist, als das postmortale Persönlichkeitsrecht des verstorbenen vermeintlichen Vaters.

Ein Hotel muss allerdings einer Mutter, die den potentiellen Vater ihres Kindes durch einen Vaterschaftstest ermitteln möchte, keine Auskunft über die Adressdaten seiner Gäste geben, so das Amtsgericht (AG) München (Az. 191 C 521/16).

Müssen alle Betroffene mit dem Vaterschaftstest einverstanden sein?


Für einen Vaterschaftstest müssen alle Betroffenen – Vater, Mutter, Kind und/oder weitere mögliche Erzeuger – ihr schriftliches Einverständnis geben. Bei minderjährigen Kindern muss der sorgeberechtigte Elternteil dem Test zustimmen.

Was tun, wenn ein Betroffener seine Zustimmung zum Vaterschaftstest verweigert?


Verweigert ein Betroffener seine Zustimmung zum Vaterschaftstest, kann das Familiengericht diese ersetzen. Dies ergibt sich aus dem gesetzlichen Anspruch auf Einwilligung in eine Abstammungsuntersuchung. Voraussetzung ist allerdings, dass der Vater ein ernsthaftes Interesse am Kind hat und der Kontakt zu ihm für das Kindeswohl förderlich ist. Lehnt ein potenzieller Erzeuger den Vaterschaftstest ab, kann dieser durch das Familiengericht angeordnet werden.

Es besteht aber kein Anspruch auf Einwilligung zu einer Abstammungsuntersuchung, wenn die Abstammung des Kindes schon durch ein früheres genetisches Abstammungsgutachten belegt ist und keine wissenschaftlichen Zweifel an diesem Gutachten bestehen, entschied der BGH (Az. XII ZB 173/16).

Ein adoptiertes Kind hat allerdings einen Anspruch gegenüber der biologischen Mutter Auskunft über die Identität des biologischen Vaters zu erhalten, dies stellt der BGH (Az. XII ZB 183/21) klar. Der Hinweis der biologischen Mutter, sie könne sich an den biologischen Vater nicht erinnern, reicht dabei nicht aus. Sie muss alle ihr zumutbaren Auskünfte zum biologischen Vater einholen.
Bei einer privaten Samenspende ist ein Vaterschaftstest auch gegen den Willen der Mutter zulässig, entschied das OLG Stuttgart (Az. 11 UF 39/22).

Hat auch ein mutmaßlich biologischer Vater Anspruch auf einen Vaterschaftstest?


Ein Mann, der eine Beziehung mit einer verheirateten Frau unterhielt, die kurz nach dem Ende der Beziehung ein Kind zur Welt brachte, hat keinen Anspruch auf Durchführung eines Vaterschaftstests. Dies entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Beschwerde-Nr. 16112/15). Der Mann war vor verschiedenen deutschen Gerichten mit seinem Begehren gescheitert, da sie mit der Durchführung eines Vaterschaftstest eine Gefährdung der Familiensituation und damit des kindlichen Wohls befürchteten. So sah es auch der EuGHMR, der die Entscheidung der deutschen Gerichte zum Wohl des Kindes gerade im Hinblick auf seine Integration in der Familie, die Vaterrolle des Ehemannes der Mutter und die Probleme um die außereheliche Affäre bestätigte.

Umgekehrt hat das Oberlandesgericht OLG Zweibrücken (Az. 2 WF 159/04) entschieden, dass ein mutmaßlicher leiblicher Vater nicht zu einem Vaterschaftstest gezwungen werden kann. Dies stelle einen gravierenden Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dar.

Ist ein heimlicher Vaterschaftstest erlaubt?


Heimliche Vaterschaftstest sind in Deutschland verboten und werden als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro geahndet. Auch das ausführende Labor riskiert ein hohes Bußgeld. Vor Gericht ist ein heimlich durchgeführter Vaterschaftstest im Übrigen ohne jede Beweiskraft.

Darf die Mutter beim Vaterschaftstest dabei sein?


Hat die biologische Mutter Zweifel an dem Vaterschaftstestergebnis, weil sie dem Vater unterstellt seinen Bruder zum Test geschickt zu haben, hat das Gericht die Möglichkeit anzuordnen, dass die Mutter bei einem neuen Vaterschaftstest anwesend ist, so geschehen vor dem OLG Oldenburg (Az. 3 UF 138/20).

Wer muss den Vaterschaftstest bezahlen?


Wird ein Vaterschaftstest vom Gericht angeordnet, zahlt derjenige, der sich als biologischer Vater herausstellt. In allen anderen Fällen gilt: Wer einen Vaterschaftstest beauftragt, muss auch die Kosten dafür tragen.

Aus welchen Gründen kann man eine Vaterschaft anfechten?


Wenn der vermeintliche Vater Zweifel an seiner biologischen Vaterschaft hat, kann er die Vaterschaft anfechten, um die genetische Abstammung des Kindes zu klären. Gleiches gilt, wenn die Vaterschaft aufgrund von Täuschung oder Betrug festgestellt wurde. Und manchmal tauchen auch neue Beweise auf, die die biologische Vaterschaft in Frage stellen und daher ein Grund für die Anfechtung sein können.

Wer hat das Recht eine Vaterschaft anzufechten?


Eine Vaterschaft kann von der Mutter des Kindes, dem mutmaßlichen biologischen Vater, dem möglichen Scheinvater und dem volljährigen Kind angefochten werden. Das Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvR 2017/21) stellt in einer Entscheidung klar, dass neben dem biologischen Vater auch der rechtliche Vater ein Recht zur Vaterschaftsanfechtung haben muss.
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Seit dem Jahr 2013 ist es Behörden nicht mehr erlaubt eine Vaterschaft anzufechten.
Ein biologischer Vater kann die rechtliche Vaterschaft eines Dritten erfolgreich anfechten, wenn sein Kind und der rechtliche Vater nicht in einer Familie leben und daher auch keine sozial-familiäre Beziehung zwischen den Beiden besteht, die geschützt werden muss. Dies entschied das OLG Hamm (Az. 12 UF 244/14). Auch in einer weiteren Entscheidung stellt das OLG Hamm (Az. 12 WF 221/20) klar, dass bei familiären Beziehungen zwischen Kind und rechtlichem Vater, die Interessen des rechtlichen Vaters vorgehen können.

Der biologische Vater muss im Vaterschaftsanfechtungsverfahren darlegen und beweisen, dass eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind fehlt, entschied auch das AG Frankenthal (Az. 71 F 175/20).

Eine Berechtigung zur Vaterschaftsanfechtung kann der biologische Vater auch ohne eine Versicherung an Eides statt haben, wenn aufgrund der Faktenlage von seiner biologischen Vaterschaft ausgegangen werden kann, entschied das OLG Zweibrücken (Az. 6 UF 19/21).

Der BGH (Az. XII ZB 321/19) stellt in einem Urteil klar, dass die Mutter auf ihr Recht zur Anfechtung der Vaterschaft nicht verzichten und dieses Recht auch nicht verwirken kann. Dafür sei es unerheblich, ob die von einem anderen Mann schwangere Frau bewusst die Ehe mit einem Dritten eingegangen ist, um eine rechtliche Vaterschaft zu begründen.

Für das OLG Frankfurt/Main (Az. 1 UF 75/22) reicht für schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft nicht aus, dass die Mutter Kontakt mit anderen Männern über eine Dating-Plattform hatte.

Wie läuft die Vaterschaftsanfechtung ab?


Wer eine Vaterschaft anfechten möchte, muss einen Antrag beim zuständigen Familiengericht stellen. Dies ist innerhalb von zwei Jahren möglich, ab dem Zeitpunkt wo Zweifel an der Vaterschaft aufkommen. Diese Zweifel muss der Antragssteller vor Gericht begründen, etwa durch einen Vaterschaftstest oder einem ärztlichen Nachweis über eine Zeugungsunfähigkeit. Allein der Umstand, dass beim Geschlechtsverkehr ein Kondom benutzt wurde, reicht nicht, um eine Vaterschaft auszuschließen, entschied der BGH (Az. XII ZR 58/12).

Wann beginnt die Frist für die Anfechtung der Vaterschaft?


Die Frist der Vaterschaftsanfechtung fängt laut BGH mit dem Geschlechtsverkehr, bzw. der Geburt des Kindes, an zu laufen.

Nach einer Entscheidung des OLG Hamm (Az. 12 UF 12/18) beginnt die Anfechtungsfrist für ein Vaterschaftsverfahren mit der Geburt des Kindes, wenn der vermeintlich biologische Vater zur Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit der Kindesmutter hatte und das Kind eine Fehlbildung aufgrund eines Erbdefekts aufweist, die er auch hat und von der er bei der Geburt des Kindes Kenntnis erhält.
Hat ein Ehemann sich vor dem Empfängniszeittraum sterilisieren lassen und wird dann ein Kind während der Ehe geboren, beginnt die Frist für die Anfechtung der Vaterschaft ab Kenntnis von der Schwangerschaft der Ehefrau, so das OLG Koblenz, (Az. 11 UF 204/02).

Bei Kindern beginnt die Frist für eine Anfechtung der Vaterschaft ab Erreichen der Volljährigkeit.

Wer als Vater die Frist zur Anfechtung der Vaterschaft versäumt, bleibt unterhaltspflichtig, selbst wenn er nicht der biologische Vater des Kindes ist, entschied das OLG Hamm (Az. 2 WF 190/13).

Welche Auswirkungen hat eine Anfechtung der Vaterschaft?


Emotional kann eine Anfechtung der Vaterschaft für das Kind verwirrend und belastend sein, insbesondere wenn es bereits eine enge Beziehung zum vermeintlichen Vater aufgebaut hat. Für den vermeintlichen Vater kann die Anfechtung der Vaterschaft auch emotional belastend sein und zu Identitätskrisen oder Beziehungskonflikten führen. Auch für die Mutter kann eine Anfechtung der Vaterschaft erhebliche Auswirkungen haben, insbesondere wenn sie die biologische Vaterschaft verschwiegen oder falsche Angaben gemacht hat. Dies kann das Vertrauen und die Beziehung zwischen Mutter und Kind beeinträchtigen.

Rechtlich bedeutet eine erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft, dass der Vater von allen Unterhalts- und Sorgerechtsansprüchen frei wird. Für das Kind entfallen im Hinblick auf den vermeintlichen Vater alle Erbansprüche. Erkennt ein Vater vor der Geburt eines Kindes einer ausländischen Mutter die Vaterschaft an und erwirbt das Kind so qua Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, verliert es diese, wenn ein späterer Vaterschaftstest zu dem Ergebnis kommt, dass der deutsche Vater nicht der biologische Vater ist. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (Az. 1 C 1.17).

Ist eine Anfechtung der Vaterschaft nach Embryonenspende möglich?


Eine Vaterschaftsanfechtung für ein Kind, das aufgrund einer in Deutschland unzulässigen Embryonenspende gezeugt wurde, ist zulässig, wenn der vermeintliche Vater in den konkreten Befruchtungsvorgang nicht eingewilligt hat und die Ehe vorher bereits gescheitert war. Dies entschied das OLG Frankfurt/Main (Az. 2 UF 194/16).


erstmals veröffentlicht am 16.04.2020, letzte Aktualisierung am 26.04.2024

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