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Kategorie: Anwalt Immobilienrecht ,
07.10.2025 (Lesedauer ca. 5 Minuten, 13 mal gelesen)
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Balkon-Solaranlage als rechtswidrige bauliche Veränderung

Ob eine Solaranlage beseitigt werden muss, hängt vom Zeitpunkt ihrer Errichtung ab. Ab Dezember 2020 ist ein Eigentümerbeschluss nötig (§ 20 WEG); fehlt dieser, liegt eine rechtswidrige bauliche Veränderung vor. Auch optische Eingriffe ohne Substanzeingriff können einen Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB begründen.

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Wird ein Wohnungseigentümer gemäß § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB auf Beseitigung einer baulichen Veränderung in Anspruch genommen, findet das Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung Anwendung, wenn die bauliche Veränderung zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen war. Entscheidend ist, welches Rechtsregime bei Vornahme der baulichen Veränderung gilt.

I. Errichtung der Solaranlage nach dem 1. Dezember 2020 Ist die Anlage nach dem 1. Dezember 2020 angebracht worden, findet das Wohnungseigentumsgesetz in der Fassung des WEMoG Anwendung. Danach bedürfen bauliche Veränderungen gemäß § 20 Abs. 1 WEG einer vorherigen Gestattung durch Beschluss. Fehlt ein Gestattungsbeschluss, stellt die bauliche Veränderung eine rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung i.S.d.
§ 1004 Abs. 1 BGB dar.

Nach der in § 20 Abs. 1 WEG enthaltenen Legaldefinition sind bauliche Veränderungen Maßnahmen, die über die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen. Nach bisherigem Recht war umstritten, ob eine bauliche Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 1 WEG a.F. nur bei einem Eingriff in die Substanz des Gemeinschaftseigentums vorliegen konnte oder ob auch dauerhafte erhebliche optische Veränderungen des Gemeinschaftseigentums genügten; der BGH hatte diese Frage offen gelassen. Diese Streitfrage stellt sich gleichermaßen im neuen Recht. Der Gesetzgeber hat sie bei Einführung der Privilegierung von Steckersolargeräten gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 WEG n.F. zum 17.
Oktober 2024 ausdrücklich nicht entscheiden wollen.

Richtigerweise setzt eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums im Sinne von § 20 WEG nicht zwingend einen Substanzeingriff voraus, sondern kann auch bei einer sonstigen auf Dauer angelegten Maßnahme, die das optische Erscheinungsbild der Wohnungseigentumsanlage wesentlich verändert, gegeben sein.

Der Wortlaut des § 20 Abs. 1 WEG n.F. ist nicht in dem Sinne eindeutig und abschließend, dass nur Substanzeingriffe erfasst werden sollen. Das Anknüpfen an eine "bauliche" Veränderung deutet zwar zunächst darauf hin, dass auf den Baukörper der Anlage eingewirkt werden soll. Zwingend ist ein solches Verständnis aber nicht. Klar ist nach dem Wortlaut lediglich, dass von einer baulichen "Veränderung" nicht die Rede sein kann, wenn ein Wohnungseigentümer das Gemeinschaftseigentum nur vorübergehend in einer bestimmten Weise nutzen und zu diesem Zweck einen Gegenstand wie beispielsweise tagsüber einen Sonnenschirm aufstellen möchte; es bedarf also einer gewissen Dauerhaftigkeit.

Auch systematische Überlegungen sprechen für ein weites Verständnis des Begriffs der baulichen Veränderung und die Einbeziehung erheblicher optischer Veränderungen der Gesamtanlage, die auf Dauer angelegt sind.
So ist für die sachenrechtliche Zuordnung zum Sondereigentum nach § 5 Abs. 1 S. 1 WEG unter anderem maßgeblich, ob die zu den Räumen gehörenden Bestandteile des Gebäudes verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass dadurch die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird. Dass es insoweit auf einen Substanzeingriff ankommen soll, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.

Entscheidend für die Einbeziehung auch sonstiger auf Dauer angelegter Maßnahmen ohne Substanzeingriff, die das optische Erscheinungsbild der Wohnungseigentumsanlage wesentlich verändern, sprechen Sinn und Zweck von § 20 WEG n.F.. Der Gesetzgeber hat sich für den in § 20 Abs. 1 WEG n.F. normierten Beschlusszwang entschieden, um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden und die vielfältigen Zweifelsfragen im Zusammenhang mit baulichen Veränderungen zu beseitigen. Die Wohnungseigentümer sollen über alle baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums informiert werden, während der bestandskräftige legitimierende Beschluss für den bauwilligen Wohnungseigentümer Rechtssicherheit schafft. Dieses Schutzkonzept kann aber nicht sinnvoll davon abhängig gemacht werden, ob eine auf Dauer angelegte, das optische Erscheinungsbild der Anlage verändernde Maßnahme mit einem Substanzeingriff einhergeht, was zudem von außen nicht unbedingt erkennbar sein wird.
Abgrenzungsschwierigkeiten und Zufallsergebnisse werden (nur) so vermieden.

Dies zugrunde gelegt, handelt es sich bei einer von außen deutlich sichtbaren Solaranlage schon wegen ihrer Größe - im vorliegenden Fall neun Solarplatten über die gesamte Länge der Balkonbrüstung - um eine bauliche Veränderung im Sinne einer auf Dauer angelegten, das optische Erscheinungsbild der Wohnungseigentumsanlage wesentlich verändernden Maßnahme. Ob sie nach den Feststellungen außerdem farblich auffällig ist, ist demgegenüber zweitrangig; ob sie nur auf dem Balkon aufsteht oder fest mit der Brüstung verbunden ist, spielt ebenfalls keine Rolle.

Dem aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB folgenden Beseitigungsanspruch kann ein nach § 20 Abs. 3 WEG bestehender Anspruch auf Gestattung nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegengehalten werden. Vielmehr muss der bauwillige Wohnungseigentümer während des erstinstanzlichen Beseitigungsverfahrens eine auf Beschlussersetzung gerichtete Widerklage erheben

II. Errichtung der Solaranlage bis zum 30. November 2020 Nach alter Gesetzeslage vor Inkrafttreten des WEMoG musste jeder Wohnungseigentümer einer baulichen Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 1 WEG a.F. zustimmen, dessen Rechte über das in § 14 Nr. 1 WEG a.F.
bestimmte Maß hinaus konkret und objektiv beeinträchtigt wurden. Auch bei einer ohne Eingriff in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums vorgenommenen Aufstellung einer größeren technischen Einrichtung - etwa einer von außen sichtbaren Parabolantenne (vgl. BGH, Beschl. v.
22.01.2004 - V ZB 51/03) - kommt es darauf an, ob der damit einhergehende Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums zu einem Nachteil führt, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht (§ 14 Nr. 1 WEG a.F.). Entscheidend ist mithin das Vorliegen eines Nachteils im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG a.F..

Beurteilt sich die bauliche Veränderung nach dem bis zum 30. November
2020 geltenden Recht, kann der Störer dem Beseitigungsverlangen allerdings nach § 242 BGB einen nach Maßgabe von § 22 Abs. 1 WEG a.F.
gegebenen Gestattungsanspruch entgegenhalten. Danach muss ein Nachteil i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG a.F. nicht hingenommen werden, wenn eine nicht ganz unerhebliche, konkrete und objektive Beeinträchtigung vorliegt.
Kommt es für den nach bisherigem Recht einem Beseitigungsverlangen einredeweise entgegengehaltenen Gestattungsanspruch darauf an, ob keinem der anderen Wohnungseigentümer ein Nachteil in diesem Sinne erwächst, ist insoweit der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung entscheidend.

Nach dem Vorstehenden ist deshalb unerheblich, dass der Gesetzgeber zum 17. Oktober 2024 der Stromerzeugung dienende Steckersolargeräte als sogenannte privilegierte Maßnahme gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 WEG n.F.
eingeführt hat, deren Gestattung durch Beschluss jeder Wohnungseigentümer verlangen kann, wenn sie angemessen ist. Denn ein Wohnungseigentümer, der sich gegen ein dem bisherigen Recht unterfallendes Beseitigungsverlangen mit einem gegenläufigen Gestattungsanspruch im Wege der dolo-agit-Einrede wehrt, die ihm aber nur nach dem bisherigen Recht zusteht, kann sich zur Begründung der dolo-agit-Einrede nicht auf (nur) nach neuem Recht eingeräumte Privilegierungen berufen. Dies gilt schon deshalb, weil zunächst zwingend gemäß § 20 Abs. 2 S. 2 WEG n.F. über die Durchführung privilegierter Maßnahmen im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu beschließen ist; die mit § 20 Abs. 2 WEG neu geschaffenen Gestattungsansprüche sind untrennbar mit dem Beschlusszwang verknüpft.
Dass die dolo-agit-Einrede in Übergangsfällen weiterhin auf nach Maßgabe von § 22 Abs. 1 WEG a.F. gegebene Gestattungsansprüche gestützt werden kann, beruht allein darauf, dass es dem Störer nicht zum Nachteil gereichen soll, wenn das auf einen abgeschlossenen Sachverhalt bezogene Beseitigungsverlangen nicht vor der Rechtsänderung geltend gemacht worden ist; es führt aber nicht dazu, dass er eine Einrede aus dem neuen Recht herleiten kann.

Entscheidend ist mithin allein, ob im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein Nachteil i.S.d. § 14 Nr. 1 WEG a.F. vorliegt. Dieser kann auch in einer Veränderung des optischen Gesamteindrucks einer Wohnanlage bestehen. Sollte die Solaranlage wegen ihrer Größe und ihrer Farbe nicht nur deutlich von außen sichtbar sein, sondern sich auch erheblich von der Gestaltung der anderen Balkone abheben, ist von einer erheblichen Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage und damit der Sache nach von einem nicht hinzunehmenden Nachteil im vorstehenden Sinne auszugehen. Damit bestünde auch bei Anwendung bisherigen Rechts ein Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB, dem kein Gestattungsanspruch im Wege des § 242 BGB entgegengehalten werden könnte.

BGH, Urt. v. 18.07.2025 - V ZR 29/24

Rechtsanwalt Michael Ziedrich Hagen
Rechtsanwalt Michael Ziedrich
Michael Ziedrich Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht · Fachanwalt für Verkehrsrecht · Rechtsanwalt
Bergstraße 128-130, 58095 Hagen
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