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Kategorie: Anwalt Steuerrecht , 17.03.2010 (Lesedauer ca. 4 Minuten, 1405 mal gelesen)

Steuerstrafrecht: Verjährung im Strafrecht und im Steuerrecht

Strafrechtliche und steuerrechtliche Verjährung laufen nach deutschem Recht nicht parallel. Dies führt immer wieder zu Verwirrung bei der Frage, in welchem Umfang eine Selbstanzeige abgegeben werden sollte. Fehler in diesem Bereich können gravierende Folgen haben.

Strafrechtliche und steuerrechtliche Verjährung laufen nach deutschem Recht nicht parallel. Dies führt immer wieder zu Verwirrung bei der Frage, in welchem Umfang eine Selbstanzeige abgegeben werden sollte. Fehler in diesem Bereich können gravierende Folgen haben.

1) Steuerrechtliche Verjährung
Die steuerliche Festsetzungsverjährung richtet sich nach dem §§ 169 bis 171 AO. Sie beträgt grundsätzlich vier Jahre. Im Falle der vorsätzlichen Steuer¬hinterziehung beträgt die Festsetzungsfrist gemäß § 169 II S. 2 AO zehn Jahre. Der Fristbeginn richtet sich dabei nach § 170 I AO, d.h. die Frist beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuern entstanden sind. Abweichend von § 170 I bestimmt jedoch § 170 II AO, dass, wenn eine Steuererklärung ein¬zureichen ist (was z.B. bei Kapitaleinkünften i.d.R. gemäß § 149 AO i.V.m. § 25 III EstG und § 56 EStDV der Fall ist), sich der Fristbeginn verschiebt. Die 10-jährige steuerliche Frist beginnt somit in der Regel erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, in dem die Steuererklärung tatsächlich ein¬gereicht wird. Wenn gar keine Steuererklärung eingereicht wurde, verschiebt sich die Frist noch weiter nach hinten.
Wenn also beispielsweise eine Steuererklärung für das Jahr 1999 im Jahr 2000 eingereicht wurde, beginnt die steuerliche Frist am 31.12.2000, 24 Uhr, zu laufen. Das bedeutet, dass das Finanzamt hinterzogene Steuern aus dem Jahr 1999 noch bis zum 31.12.2010, 24 Uhr, neu festsetzen kann.

2) Strafrechtliche Verjährung
Die strafrechtliche Verjährung beträgt grundsätzlich 5 Jahre, § 78 III Nr. 4 StGB. Seit dem 25.12.2008 gilt jedoch § 376 AO in neuer Fassung, wonach in den in § 370 III S. 2 Nr. 1 bis 5 AO genannten Fällen die strafrechtliche Verjährungsfrist 10 Jahre beträgt. Liegt beispielsweise eine Steuerhinterziehung in großem Ausmaß vor (§ 370 II S. 2 Nr. 1 AO – nach neuester Rspr. in der Regel bei einem Betrag von 50.000,00 € bzw. bei Nichtfestsetzung von 100.000,00 €) muss eine Selbstanzeige bis zu 10 Jahre umfassen, damit sie strafbefreiende Wirkung entfalten kann.
Auch in den Fällen 10-jähriger strafrechtlicher Verjährung laufen steuerliche- und strafrechtliche Fristen allerdings nicht parallel, da der Fristbeginn unterschiedlich ermittelt wird. Die strafrechtliche Verjährungsfrist beginnt bei Einkommenssteuerhinterziehung mit Bekannt¬gabe des Steuerbescheides zu laufen, da zu diesem Zeitpunkt der Steuerhinterziehungserfolg ein¬getreten ist, d.h. die Tat beendet i.S.v. § 78 a StGB ist. Die 3-Tages-Fiktion des § 122 II AO gilt für die Berechnung der strafrechtlichen Fristen nicht, da sie zu Lasten des Beschuldigten ginge.

Die 10-jährige strafrechtliche Verjährung in den Fällen des § 376 AO trat erst am 25.12.2008 in Kraft. Gemäß der Übergangsvorschrift des § 23 zu Art. 97 EGAO greift § 376 AO in der Neufassung dann nicht ein, wenn die strafrechtlichen Fristen nach alter Rechtslage am 25.12.2008 (=Tag des Inkrafttretens des § 376 AO) noch nicht ab-ge¬laufen waren. Zumindest für die Jahre bis 2002 gilt, dass diese bereits aufgrund der damals geltenden 5-jährigen Ver¬jährung nach altem Recht vor dem 25.12.2008 (=Stichtag für Übergangsregelung) verjährt waren. Diese Jahre leben aufgrund der Übergangsregelung des § 23 in Art. 97 EGAO nicht „wieder auf“. Sie sind endgültig verjährt. Ein Vertrauensschutz dahingehend, dass sich ein Täter darauf verlassen kann, dass eine noch nicht verjährte Tat nach einer bestimmten Zeit ver¬jähren wird, besteht allerdings nicht. D.h. spätestens ab dem Jahr 2003 kann eine Verlängerung der strafrechtlichen Verjährung aufgrund der Neufassung des Gesetzes nicht ausgeschlossen werden.
Nach gegenwärtiger Rechtslage sollte eine Selbstanzeige folglich in jedem Fall den 5-jährigen strafrechtlichen Verjährungszeitraum umfassen, in den Fällen des § 376 AO (d.h. insbesondere bei sehr großen Summen) auch noch einige Jahre davor.
Vor Abgabe einer Selbstanzeige durch einen Steuerberater sollte in jedem Fall auch strafrechtlicher Rat eingeholt werden.

3) Das „Niemandsland“ zwischen strafrechtlicher und steuerrechtlicher Verjährung
In der Praxis kommt es, wenn sich eine Selbstanzeige auf den strafrechtlich verjährten Zeitraum beschränkt, häufig zu Streitigkeiten bezüglich der Frage, in welchem Umfang Mitwirkungspflichten für den Zeitraum davor bestehen, d.h. für diejenigen Jahre, die steuerrechtlich noch nicht verjährt sind.
Manche Finanzämter neigen dazu, nach Abgabe einer Selbstanzeige die Herausgabe diverser Unterlagen und Auskünfte bezüglich der Vorjahre anzufordern. Fraglich ist, ob es für diesen Zeitraum überhaupt Rechtsgrundlagen für derartige Auskunftsersuchen (z.B. nach § 93 AO) gibt. Häufig lohnt es sich, genauer hinzuschauen. In der Entscheidung des BFH vom 7.11.06 (VII R 81/94, bestätigt am 2.4.09, VII B 176/08) wurde klargestellt, dass das Finanzamt die Beweislast dafür trifft, dass in den Vorjahren eine Steuerhinterziehung vorlag, d.h. keine Festsetzungsverjährung nach § 169 II S.2 AO eingetreten ist. Es gilt der Grundsatz "in dubio pro reo".
Man kann auch nicht über den Umweg des § 153 AO eine Berichtigungspflicht konstruieren, denn dann würde die strafrechtliche Verjährung ausgehebelt, außerdem greift § 153 AO nicht bei vorsätzlicher Hinterziehung (gemäß BGH v. 17.4.2009, 1 StR 479/08, kann im Einzelfall etwas anders bei sog. „dolus eventualis“ gelten). Selbst wenn der Nachweis einer Steuerhinterziehung gelingt, sind die Folgen eines Verstoßes gegen Auskunfts- und Herausgabeobliegenheiten i.S.d. §§ 90, 93 AO i.d.R. nur Schätzungen (§ 162 AO).

4) Fazit
Im Ergebnis sollte der Umfang einer Selbstanzeige vor deren Einreichung sorgfältig überlegt werden. Neben komplizierten juristischen Fragen der Fristberechnung spielen dabei in der Praxis auch die individuellen Verhältnisse des Mandanten eine Rolle. Die vorhandenen Mittel zur Nachzahlung sind dabei genauso zu berücksichtigen wie die persönliche Bereitschaft, es auf einen Rechtsstreit mit dem Finanzamt ankommen zu lassen.


von Tobias Rudolph

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