Crowdworking: Soloselbstständig oder Arbeitnehmer?

Die Digitalisierung hat neue Arbeitsformen hervorgebracht, darunter das sog. Crowdworking. Dabei erledigen Menschen über digitale Plattformen kleine oder größere Aufgaben für Unternehmen – oft flexibel und ortsunabhängig. Doch die arbeitsrechtliche Einordnung von Crowdworkern ist umstritten: Sind sie Soloselbstständige oder doch Arbeitnehmer mit Anspruch auf Sozialleistungen und arbeitsrechtlichen Schutz?
Was ist Crowdworking?
Crowdworking ist eine neue Beschäftigungsform dar, bei der Unternehmen bestimmte Aufgaben an eine Vielzahl von Arbeitskräften – die „Crowd“ – auslagern. Diese Arbeit wird über digitale Plattformen vermittelt. Jeder dort registrierte Nutzer kann sich auf den Auftrag bewerben, wer das Rennen macht entscheidet der Auftraggeber. Typische Crowd-Tätigkeiten sind etwa die Eingabe von Daten oder das Erstellen von Texten, Bild und Videobearbeitung, Marktforschung oder Softwareentwicklung.
Für Unternehmen ist Crowdworking eine neue Form von Outsourcing. Viele Dienstleistungen können über Crowdworker günstiger eingekauft werden, also über die sonst üblichen Dienstleister. Zudem werden unternehmensinterne Mitarbeiter durch das Crowdworking entlastet.
Für Crowdworker ist diese neue Beschäftigungsform attraktiv, weil sie ein hohes Maß an Flexibilität und Selbstbestimmtheit ermöglicht. Schließlich entscheiden sie bei jedem Auftrag neu, ob sie eine Bewerbung abgeben. Bei der Erledigung eines Auftrags sind sie meist flexibel, wo und wann sie ihre Leistung erbringen. Für manchen Crowdworker kann diese Beschäftigungsform auch ein erster Schritt in den Arbeitsmarkt sein.
Sind Crowdworker Arbeitnehmer oder Solo-Selbstständige?
Die rechtliche Einordnung von Crowdworking ist in Deutschland nicht eindeutig geregelt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied 2020 (Az. 9 AZR 102/20) erstmals, dass ein Crowdworker nicht immer ein Solo-Selbstständiger sein muss, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch als Arbeitnehmer betrachtet werden.
Ob Crowdworker als Soloselbstständige oder Arbeitnehmer gelten, hängt von mehreren Faktoren ab. Können Crowdworker ihre Arbeitszeit frei einteilen, unterliegen sie keiner Weisungsgebundenheit, das heißt sie entscheiden selbst welche Aufträge sie annehmen, arbeiten sie für mehrere Auftraggeber und setzen eigene Arbeitsmittel, wie Computer und Internet ein, können sie als Solo-Selbstständige gelten. Das bedeutet sie unterliegen keiner Sozialversicherungspflicht, haben keinen Kündigungsschutz und keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub.
Umgekehrt gilt ein Crowdworker als Arbeitnehmer, wenn für ihn feste Arbeitszeiten bestehen, er weisungsgebunden und in den Betrieb des Auftraggebers, etwa durch Schulungen, eingegliedert ist. Als Arbeitnehmer hat ein Crowdworker Anspruch auf Mindestlohn, Sozialversicherungsleistungen und bezahlten Urlaub.
Im konkreten Fall vor dem Bundesarbeitsgericht ging es um einen Crowdworker, der Produktpräsentationen in Geschäften und an Tankstellen kontrollierte. Vorgabe war, dass Fotos von den Produktpräsentationen gemacht werden müssen und dass die Aufträge zeitnah erledigt werden. Auftragnehmer mit mehr Erfahrung erhielten mehr Vergütung. Die Aufträge wurden via einer APP an den Auftragnehmer vermittelt, die auch den Ort des jeweiligen Auftrags per GPS angab. Als der Auftraggeber die Zusammenarbeit mit dem Crowdworker einstellte, klage dieser. Er betrachtet sich nicht als Selbstständiger, sondern als Arbeitnehmer des Auftraggebers.
Für das Bundesarbeitsgericht wurden die Aufträge in erheblichem Maß vom Auftraggeber gesteuert: Er bestimmte Ort, Inhalt und Zeit der Auftragserledigung. Die Gestaltungsfreiheit des Auftragnehmers tendierte Richtung Null. Für das Gericht Grund genug ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis anzunehmen.
Dieses Urteil bedeutet für Crowdworker, dass sie genau prüfen sollten, wie sich ihre Beschäftigung darstellt. Ob sie weisungsgebunden, fremdbestimmt und abhängig für einen Auftraggeber arbeiten oder tatsächlich flexibel und selbstbestimmt ihren Auftrag erledigen können. Je nachdem entscheidet sich im Einzelfall, ob ein Crowdworker Arbeitnehmer oder Solo-Selbstständiger ist.
Lesen Sie zum Thema Scheinselbstständigkeit auch unseren informativen Rechtstipp – „Scheinselbständigkeit: Freie Mitarbeit oder angestellt beschäftigt?“.
Welche Risiken bestehen beim Crowdworking?
Crowdworking bietet Flexibilität, bringt aber auch Risiken mit sich. Crowdworker haben keine soziale Absicherung. Sie haben keine Ansprüche aus der Arbeitslosen-, Kranken- oder Rentenversicherung. Crowdworker haben keinen arbeitsrechtlichen Schutz und ihre Verdienstmöglichkeiten sind meist schlecht.
Lohnt es sich als Crowdworker zu arbeiten?
Vergütet wird das Crowdworking in der Regel nach Zeit oder Auftrag. Es gibt aber auch Vergütungsformen, bei denen derjenige den Auftrag bezahlt bekommt, der als Erster abgibt oder der den Auftrag am besten erledigt hat.
Reich wird man zurzeit mit Crowdworking nicht: Aktuellen Studien zur Folge verdienen 65 Prozent der Crowdworker pro Auftrag ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 1,99 Euro. Viele Crowdworker erzielen gerade mal den Mindestlohn pro Stunde. Crowdworking ist daher als Nebenverdienst anzusehen, der die Finanzen aufbessert.
erstmals veröffentlicht am 05.01.2021, letzte Aktualisierung am 11.04.2025
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