Abmahnung – Worauf Arbeitnehmer und Arbeitgeber achten müssen!

Nicht jede Kritik oder Maßregelung durch den Arbeitgeber wird für das Arbeitsverhältnis gefährlich. Brenzlig wird’s für den Arbeitnehmer erst, wenn der Arbeitgeber eine Abmahnung ausspricht. Welche Folgen sind mit einer Abmahnung verbunden? Worauf müssen Arbeitgeber achten? Und wie können sich Arbeitnehmer gegen eine Abmahnung wehren?
Das müssen Sie über eine Abmahnung im Arbeitsrecht wissen
Was ist ein Abmahnungsgrund?
Abmahnungsgründe gibt es viele. Abmahnungswürdig sind etwa das unentschuldigte Fehlen nach einem Urlaub, wiederholtes unpünktliches Erscheinen am Arbeitsplatz, Überziehen der Pausenzeiten, zu frühes Nachhausegehen, Ausübung eines nicht mitgeteilten Nebenjobs, Verstöße gegen Rauch- und Alkoholverbote, stundenlanges privates Telefonieren während der Arbeitszeit, die Weigerung vertretungsweise übertragene Aufgaben zu übernehmen oder das „Drohen“ mit Krankheit. Ein Abmahnungsgrund ist auch eine Vertrauensverletzung im Arbeitsverhältnis, etwa wenn der Arbeitnehmer die Firma bestiehlt, betrügt, Gelder veruntreut, Kontrolleinrichtungen missbraucht oder Tätlichkeiten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen begeht.
Was muss in der Abmahnung stehen?
Weiterhin muss der Arbeitgeber klar erkennen lassen, dass er in Zukunft dieses Fehlverhalten nicht dulden wird und dem Arbeitnehmer im Wiederholungsfall weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen, bis hin zur Kündigung, drohen.
Bei ausländischen Arbeitnehmern empfiehlt sich eine Übersetzung der Abmahnung in deren Muttersprache. Sie sollte den Hinweis enthalten, dass sie zur Personalakte hinzugefügt wird.
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Wer darf abmahnen?
Umgekehrt haben auch Arbeitnehmer das Recht ihren Arbeitgeber in bestimmten Fällen, wie etwa bei verspäteten Gehaltszahlungen, abzumahnen.
Gibt es Formvorschriften?
Für eine Abmahnung bestehen keine besonderen Formerfordernisse, das heißt sie kann mündlich oder schriftlich erfolgen. Aus Beweiszwecken empfiehlt sich für eine Abmahnung immer die Schriftform.
Müssen Fristen eingehalten werden?
Es gibt keine gesetzliche Frist für den Ausspruch einer Abmahnung durch den Arbeitgeber nach einer Pflichtverletzung durch den Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber kann auch ein Fehlverhalten abmahnen, dass vor mehreren Monaten begangen wurde. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Pflichtverstoß für den Arbeitgeber nicht so bedeutsam war, wenn er ihn erst Monate später rügt.
Es gibt auch keine gesetzliche Frist innerhalb der ein Arbeitnehmer gegen eine Abmahnung vorgehen muss. Aus diesem Grund wird eine Abmahnung nicht allein durch Zeitablauf wirksam.
Muss der Betriebsrat beteiligt werden?
Vor der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist eine Anhörung des Betriebsrats gesetzlich vorgeschrieben. Das gilt aber nicht bei einer Abmahnung. Hier hat der Betriebsrat keine Beteiligungs- oder Mitbestimmungsrechte. Lediglich im öffentlichen Dienst sehen einzelne Landespersonalgesetzes eine Mitbestimmung des Personalrats bei einer Abmahnung vor.
Zugang der Abmahnung beim Arbeitnehmer notwendig!
Eine Abmahnung muss den Arbeitnehmer erreicht haben, damit sie wirksam ist. Den Zugang muss der Arbeitgeber beweisen. Aus diesem Grund lässt er sich häufig den Zugang auf der Abmahnung vom Arbeitnehmer unterzeichnen.
Aufpassen müssen Arbeitnehmer, dass sie mit der Unterzeichnung nicht nur den Zugang, sondern auch die Richtigkeit der Abmahnung bestätigen.
Welche Folgen hat eine Abmahnung?
Arbeitnehmer, die nach einer Abmahnung erneut gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, riskieren weitere Abmahnungen und letztlich eine Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses. Damit es soweit kommen kann, muss die wiederholte Pflichtverletzung mit der bereits abgemahnten Pflichtverletzung zumindest vergleichbar sein.
Wie viele Abmahnungen müssen vor einer Kündigung erfolgen?
Es gibt keine gesetzliche Regelung, wie viele Abmahnung durch den Arbeitgeber erfolgen müssen, bis eine Kündigung ausgesprochen werden darf. Der Arbeitgeber ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angehalten vor einer Kündigung das pflichtwidrige Verhalten des Arbeitsnehmers zunächst abzumahnen. Maßgeblich ist hier aber die Schwere des pflichtwidrigen Verhaltens. Handelt es sich um ein besonders schweres pflichtwidriges Verhalten, wie etwa ein Diebstahl von Betriebseigentum, kann der Arbeitgeber auch ohne vorherige Abmahnung kündigen. Bei unbedeutenderen Pflichtverstößen, wie etwa Unpünktlichkeit, sind mehrere Abmahnungen notwendig, bevor eine verhaltensbedingte Kündigung erfolgen kann.
Abmahnung erhalten – Was tun?
Schritt 1: Keine Erklärungen abgeben
Geben Sie gegenüber Ihrem Arbeitgeber keine mündliche oder schriftliche Erklärung zur Abmahnung ab. Auf keinen Fall sollten Sie die Richtigkeit der Abmahnung schriftlich anerkennen.
Schritt 2: Sachverhalt klären
Nach dem Erhalt der Abmahnung sollten Sie zeitnah den Ihnen vorgeworfenen Sachverhalt klären. Sichern Sie Beweismittel, wie etwa E-Mails oder Arbeitszeiterfassungsdaten, die die mögliche Unrechtmäßigkeit der Abmahnung belegen können. Wichtig sind auch Zeugen, die über das Ihnen vorgeworfene Fehlverhalten Aussagen treffen können. Schreiben Sie ein Gedächtnisprotokoll über den abgemahnten Vorfall.
Schritt 3: Vorgehensweise gegen Abmahnung abwägen
Grundsätzlich ist die Gegendarstellung das mildeste Mittel gegen eine Abmahnung und bietet sich an, wenn es noch eine Chance gibt das Arbeitsverhältnis wieder in Ordnung zu bringen. Der Arbeitgeber muss die Gegendarstellung mit in die Personalakte aufnehmen.
Ist das Arbeitsverhältnis zerrüttet, kann der Arbeitnehmer mit einer Klage auf Rücknahme der Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung mit allen unangenehmen Folgen möglicherweise vermeiden.
Manchmal kann aber auch nicht auf die Abmahnung zu reagieren, der richtige Weg sein. Zum einen kann damit eine weitere Eskalation des Arbeitsverhältnisses vermieden werden und zum anderen gibt es keine Frist für der vorgenannten Reaktionen – diese Möglichkeiten laufen Ihnen also nicht weg.
Schritt 4: Kontaktieren Sie umgehend einen Anwalt für Arbeitsrecht!
Nehmen Sie eine Abmahnung Ernst! Wer eine Abmahnung vom Arbeitgeber erhalten hat, sollte nicht lange zögern und sich den Rat eines kompetenten Anwalts für Arbeitsrecht einholen. Oft folgt nach der gelben Karte vom Arbeitgeber die Kündigung. Dagegen sollten Sie gewappnet sein!
Häufige Fehler bei der Abmahnung
Fehler 1: Keine konkrete Benennung der Pflichtverletzung
Bei Abmahnungen kommt es immer wieder vor, dass der Arbeitgeber die konkrete Pflichtverletzung des Arbeitnehmers in seiner Abmahnung nicht benennt. Es empfiehlt sich bei der Abmahnung etwa auf die vereinbarten Pflichten im Arbeitsvertrag Bezug zu nehmen.
Achtung: Wird die Abmahnung auf mehrere Pflichtverletzungen gestützt, ist sie insgesamt unwirksam, wenn nur eine Pflichtverletzung nicht gerechtfertigt ist.
Fehler 2: Verhalten stellt keine Pflichtverletzung dar
Oft kommt es auch vor, dass das angemahnte Verhalten des Arbeitnehmers gar keine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung darstellt. Mahnt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer etwa ab, weil er in seiner Freizeit durch zu hohen Alkoholkonsum unangenehm aufgefallen ist, handelt es sich bei diesem Verhalten nicht um eine Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht des Arbeitnehmers.
Fehler 3: Fehlverhalten ist nicht nachvollziehbar
Für viele Arbeitnehmer ist ihr Fehlverhalten nicht ohne weiteres aus der Abmahnung erkennbar. Wichtig ist in einer Abmahnung unter Angabe von Ort, Zeit und möglicherweise Zeugen, das Fehlverhalten in unmissverständlicher Formulierung darzustellen. Ein pauschaler Vorwurf, wie „Sie arbeiten zu wenig“, reicht nicht aus.
Fehler 4: Zu viele Abmahnungen erteilt
Arbeitgeber sollten mit dem Aussprechen einer Abmahnung sparsam umgehen. Bombardieren sie einen Arbeitnehmer mit Abmahnungen, kann dieser davon ausgehen, dass es sich lediglich um Ermahnungen oder Rügen handelt. Diese Vorstufen zur Abmahnung berechtigen den Arbeitgeber nicht zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses, entschied das Landesarbeitsgericht Brandenburg (Aktenzeichen 1 Sa 645/02).
Fehler 5: Keine Androhung von arbeitsrechtlichen Konsequenzen
Wohl am häufigsten sind die Fälle, bei denen der Arbeitgeber in der Abmahnung keine weiteren arbeitsrechtlichen Folgen im Wiederholungsfall androht. Dann handelt es sich nur um Ermahnung des Arbeitnehmers, bei der im Wiederholungsfall vom Arbeitgeber keine Kündigung ausgesprochen werden darf.
Fehler 6: Unterschrift des Abmahnungsberechtigten fehlt
Eine Abmahnung darf nur der Weisungsbefugte erteilen. Er muss die Abmahnung auch unterschreiben. Mahnt Sie etwa ein Abteilungsleiter ab, der Ihnen gegenüber nicht weisungsbefugt ist, ist die Abmahnung unwirksam.
So entscheiden die Gerichte
Für eine Abmahnung ist im Hinblick auf die arbeitsvertragliche Pflichtverletzung weder Vorsatz noch Schuld des Arbeitnehmers notwendig, entschied ebenfalls das Hessische Landesarbeitsgericht (Aktenzeichen 12 Sa 829/09).
Die Beweislast für ein abmahnungsfähiges Verhalten des Arbeitnehmers liegt beim Arbeitgeber, entschied Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen 9 Sa 447/12).
Laut dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Aktenzeichen 2 Sa 17/14) rechtfertigt unfreundliches Verhalten eines Arbeitnehmers gegenüber Kunden eine Abmahnung.
Wer über einen Kollegen in einem Vermerk schreibt, dass dieser sehr fehlerhaft arbeitet, begeht eine Ehrverletzung und kann dafür abgemahnt werden, entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen 10 Sa 186/10).
Arbeitnehmer, die während ihrer Arbeitszeit Einladungsschreiben zu einer Betriebsratswahl vorbereiten, können dafür nicht abgemahnt werden, stellt das Arbeitsgericht Kiel (Aktenzeichen 5 Ca 1030 d/10) klar.
Das Landesarbeitsgericht Hamm (Aktenzeichen 3 Sa 223/09) urteilte, dass ein Arbeitnehmer wegen eines Irrtums über die Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit nicht abgemahnt werden kann.
Kommt eine Arbeitnehmerin nur ein einziges Mal 13 Minuten zu spät zur Arbeit, stellt das noch kein pflichtwidriges Verhalten dar, das mit einer Abmahnung bedacht werden muss, entschied das Arbeitsgericht Leipzig (Aktenzeichen 8 Ca 532/15).
Erscheint ein kranker Arbeitnehmer während seiner Erkrankung nicht zu einem vom Arbeitgeber angesetzten Personalgespräch, ist das kein Grund für eine Abmahnung. Das Bundesarbeitsgericht (Aktenzeichen 10 AZR 596/15) stellt klar, dass die Pflicht des Arbeitnehmers an einem Personalgespräch teilzunehmen nicht während einer Krankheit besteht.
Arbeitnehmer haben das Recht eine erteilte Abmahnung gerichtlich prüfen zu lassen. Die Prüfpflicht der Gerichte ist nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein (Aktenzeichen 2 Sa 66/08) allerdings beschränkt. Gerichtlich geprüft werden darf nur die Form und die Umstände der Abmahnung. Nicht geprüft wird die Frage, ob die Abmahnung als solche eine Überreaktion darstellt.
erstmals veröffentlicht am 14.11.2019, letzte Aktualisierung am 15.09.2020
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