Wann wird eine freiwillige Leistung im Job zu einem Anspruch des Arbeitnehmers?

Ein Tankgutschein zu Weihnachten, ein Zuschuss zum Fitnessstudio oder ein Bonus am Jahresende: Viele Arbeitgeber zeigen sich gegenüber ihren Mitarbeitenden großzügig und gewähren freiwillige Leistungen. Doch was passiert, wenn solche Extras über Jahre hinweg gezahlt werden? Können Arbeitnehmer dann irgendwann einen Rechtsanspruch darauf geltend machen?
- Was sind freiwillige Leistungen des Arbeitgebers?
- Wann entsteht für den Arbeitnehmer ein Anspruch durch betriebliche Übung?
- Wann greift die betriebliche Übung nicht?
- Für wen gilt die betriebliche Übung?
- Was tun, wenn der Arbeitgeber plötzlich die Extras einstellt?
- Wie kann der Arbeitgeber eine betriebliche Übung beenden?
Was sind freiwillige Leistungen des Arbeitgebers?
Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers sind Vergünstigungen für den Arbeitnehmer, die nicht vertraglich vereinbart worden sind und der Arbeitgeber auch nicht gesetzlich verpflichtet ist, diese zu zahlen.
Typische Beispiele für freiwillige Leistungen sind das Weihnachts- oder Urlaubsgeld. Hat ein Arbeitgeber über mehr als drei Jahre Weihnachtsgeld an die Belegschaft gezahlt, entsteht eine betriebliche Übung und damit ein Anspruch der Arbeitnehmer, so u.a. das Bundesarbeitsgericht (BAG) (Az. 10 AZR 68/96) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz (Az. 5 Sa 604/10).
Auch Pausenregelungen können aus betrieblicher Übung entstehen. Nach einer Entscheidung des LAG Nürnberg (Az. 2 Sa 132/15) können Raucher aber nicht davon ausgehen, dass ihr Arbeitgeber ihre Raucherpausen aus betrieblicher Übung zahlt.
Arbeitszeiten an Feier- oder Brauchtumstagen können ggfs. eine betriebliche Übung begründen. Befreit der Arbeitgeber aber seine Beschäftigten regelmäßig unter Vorbehalt von ihrer Arbeit an Rosenmontag, entsteht keine betriebliche Übung, so das BAG (Az. 9 AZR 672/92). Gewährt der Arbeitgeber an Faschingsdienstag dienstfrei nur unter dem Vorbehalt, soweit es dienstlich möglich ist, entsteht kein Anspruch auf einen freien Tag aus Gewohnheitsrecht, so auch der Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (Az. 17 P 05.3061).
Auch das zur Verfügung stellen eines Firmenparkplatzes kann einen Anspruch aus betrieblicher Übung begründen. Nach einer Entscheidung des LAG Baden-Württemberg (Az. 1 Sa 17/13) besteht kraft betrieblicher Übung aber dann kein Rechtsanspruch auf die künftige kostenlose Nutzung eines Betriebsparkplatzes, wenn der Arbeitgeber im Zusammenhang mit Neubaumaßnahmen die bisherige Parkplatzanlage beseitigt und unter erheblichen Aufwendungen eine neue Parkplatzfläche schafft. In diesem Fall dürfen die Arbeitnehmer auch bei einer jahrelangen kostenlosen Nutzung des Betriebsparkplatzes nicht berechtigterweise davon ausgehen, der Arbeitgeber werde auch künftig kostenlose Parkplätze bereitstellen. Auch das LAG Schleswig-Holstein (Az. 1 Sa 646 b/00) lehnte eine kostenlose Nutzung eines Parkplatzgeländes durch Arbeitnehmer in folgendem Fall als betriebliche Übung ab: Das bloße Ausweisen von Parkflächen mit Verkehrsschildern "nur für Mitarbeiter" und der Appell, diese Flächen anstatt Parkverbotszonen zu nutzen, begründe im öffentlichen Dienst keinen Anspruch der Mitarbeiter aus betrieblicher Übung auf unentgeltliche Nutzung von Parkmöglichkeiten, so das Landesarbeitsgericht.
Weitere freiwillige Leistungen des Arbeitgebers sind etwa Prämien, Sachgeschenke, Regelungen zum privaten Telefonieren oder Internetnutzung, Ablauf der Urlaubsverteilung, Sonderurlaub, Übernahme von Fortbildungskosten oder Fahrtkostenzuschüsse. Diese Leistungen beruhen ohne vertragliche Vereinbarung auf einer freiwilligen Entscheidung des Arbeitgebers.
Wann entsteht für den Arbeitnehmer ein Anspruch durch betriebliche Übung?
Wenn eine freiwillige Leistung vom Arbeitgeber mehrfach hintereinander in gleicher Weise gewährt wird, kann daraus eine sogenannte betriebliche Übung entstehen. Das bedeutet: Der Arbeitnehmer darf davon ausgehen, dass diese Leistung auch künftig gezahlt wird. Eine sog. betriebliche Übung begründet unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber.
Damit eine betriebliche Übung entsteht, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- die Leistung muss vom Arbeitgeber mindestens drei Mal in Folge erbracht werden
- die Leistung muss den meisten Arbeitnehmern im Betrieb gewährt werden oder zumindest einem abgrenzbaren Teil, wie einer Abteilung.
- für die Leistung wurde immer die gleiche Berechnungsgrundlage gewählt
- Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag schließen eine betriebliche Übung nicht aus
Wichtig: Hat der Arbeitgeber sich von Anfang an die Freiwilligkeit der Leistung, bzw. Vergünstigung oder ein Widerrufsrecht vorbehalten, kommt keine betriebliche Übung zustande.
Wann greift die betriebliche Übung nicht?
Die betriebliche Übung entsteht nicht automatisch in jedem Fall von freiwilligen Leistungen. Wenn die Leistung an eine konkrete Bedingung geknüpft war, wie etwa einer Zielerreichung, entsteht keine betriebliche Übung. Die betriebliche Übung entsteht auch dann nicht, wenn es einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung gibt, die etwas anderes regelt. Die betriebliche Übung ist ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber nachweislich immer auf die Freiwilligkeit der Leistung hingewiesen hat.
Auch Einzelfälle, wie eine einmalige Prämie oder ein besonderes Jubiläumsgeschenk, begründen keinen Anspruch aus betrieblicher Übung.
Für wen gilt die betriebliche Übung?
Eine betriebliche Übung gilt für alle Arbeitnehmer, die die Vergünstigung erhalten. Auch Beschäftigte, die neu in einem Unternehmen sind, haben einen Anspruch auf die betrieblichen Übungen, die zum Zeitpunkt ihres Arbeitsvertragsabschlusses gelten. Das heißt, sie müssen nicht erst drei Jahre warten, bis ihr Anspruch auf die Leistung besteht. Der Arbeitgeber kann in einem Arbeitsvertrag mit einem neuen Beschäftigten eine bestehende betriebliche Übung nur mit einem sachlich gerechtfertigten Grund ausschließen.
Was tun, wenn der Arbeitgeber plötzlich die Extras einstellt?
Wenn sich ein Anspruch des Arbeitsnehmers auf eine Leistung durch betriebliche Übung bereits verfestigt hat, kann der Arbeitgeber nicht einfach seine anfangs freiwillige Leistung einstellen. Er müsste die Leistung per Änderungskündigung streichen, was nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers oder im Rahmen einer Kündigung erfolgen kann.
Verweigert der Arbeitgeber eine ursprünglich regelmäßig gezahlte Leistung, obwohl alle Voraussetzungen für eine betriebliche Übung erfüllt sind, kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch gerichtlich einklagen, Nachzahlung verlangen und sich unter Umständen auf eine Schlechterstellung im Arbeitsverhältnis berufen.
Wie kann der Arbeitgeber eine betriebliche Übung beenden?
Besteht erst einmal eine betriebliche Übung, kann der Arbeitgeber diese nicht einseitig aufkündigen oder widerrufen, so das BAG (Az.10 AZR 281/08). Er kann sie nur im gegenseitigen Einvernehmen mit den Arbeitnehmern beenden oder eine entsprechende Änderungskündigung aussprechen.
erstmals veröffentlicht am 29.01.2014, letzte Aktualisierung am 25.04.2025
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