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Kategorie: Anwalt Bankrecht/Kapitalmarktrecht , 19.11.2015 (Lesedauer ca. 3 Minuten, 1289 mal gelesen)

So genannter Widerrufsjoker für Immobiliendarlehen bald vor dem Aus?

Beim Abschluss von Immobilien-Darlehen für Verbraucher muss nach dem Gesetz eine Widerrufsbelehrung der Bank oder Sparkasse erteilt werden, wonach der Vertrag innerhalb von 14 Tagen ab Vertragsschluss bzw. Übersendung der Widerrufsbelehrung widerrufen werden kann. Rechtsfolge eines Widerrufs ist, dass der Vertrag rückabgewickelt wird. Durch das Widerrufsrecht soll der Verbraucher vor übereilten und unüberlegten Vertragsschlüssen geschützt werden und die Gelegenheit erhalten, innerhalb einer kurzen Frist nach Vertragsschluss aus dem Vertrag wieder ohne Kosten "auszusteigen".

Der Inhalt, den eine Widerrufsbelehrung im Einzelnen haben muss, ist im Gesetz vorgegeben und wurde seit Ende der neunziger Jahre vom Gesetzgeber in kurzen zeitlichen Abständen geändert. (Hintergrund ist, dass die nationalen gesetzlichen Vorschriften zum Widerruf auf EU-Verordnungen beruhen, die ebenfalls häufig geändert werden und dann vom Gesetzgeber in nationales Recht umgesetzt werden.) Die häufigen Änderungen sowie der in der Vergangenheit "laxe" Umgang von Banken und Sparkassen mit dem korrekten Inhalt von Widerrufsbelehrungen führten dazu, dass ein hoher Prozentsatz von Widerrufsbelehrungen in der Vergangenheit fehlerhaft oder unvollständig waren.

Untersuchung Hamburger Verbraucherzentrale



Die Hamburger Verbraucherzentrale hat im Februar 2015 bei 3.500 Darlehensverträgen zwischen Banken und Verbrauchern die Widerrufsbelehrungen auf Fehler untersucht, und ist dabei zu folgenden Ergebnissen gekommen:












Bankuntersuchte Verträgefehlerhafte WiderrufsbelehrungenProzentsatz
ING-Diba41236688,83
DSL-Bank25822787,98
Deutsche Bank17812972,47
Hamburger16514185,45
Sparkasse Commerzbank1138373,45
DKB967275,00
Münchner936468,82
Hypothekenbank BHW804860,00
Bausparkasse BW Bank654975,38
Dresdner Bank564682,14


In der Zeit zwischen dem 01.11.2002 bis 2010 gab es im Gesetz keine zeitliche Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Widerrufs, wenn die Widerrufsbelehrung fehlte, fehlerhaft oder unvollständig war: War eine für in diesem Zeitraum abgeschlossenen Verbraucher-Darlehensvertrag erteilte Widerrufsbelehrung unvollständig, fehlerhaft oder fehlte sie völlig, begann die 14-Tage-Frist nicht zu laufen. Das oberste deutsche Gericht in Zivilsachen, der Bundesgerichtshof (BGH), hat entschieden, dass das Widerrufsrecht in diesen Fällen keiner zeitlichen Begrenzung unterliegt (Urteil vom 01.03.2013 - III ZR 83/11; Urteil vom 26.06.2011 - XI ZR 349/10): Es kann also auch nach vielen Jahren noch ausgeübt werden ("ewiges Widerrufsrecht"). Es kann in diesen Fällen sogar dann noch ausgeübt werden, wenn das Darlehen bereits vollständig zurückgezahlt oder durch eine Umschuldung abgelöst wurde. Auch sog. "verbundene Verträge", zu deren Finanzierung ein Darlehen aufgenommen wurden, können ebenfalls widerrufen werden, wenn der Darlehensvertrag widerrufbar ist.

Diesen Umstand haben sich viele Darlehensnehmer von Immobilien-Darlehen für Verbraucher in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase zunutze gemacht, indem sie ihre Altverträge widerriefen und auf neue Darlehensverträge mit erheblich niedrigeren Zinssätzen umschuldeten. Der Vorteil: Im Falle des Widerrufs wird der Vertrag rückabgewickelt, d.h. es müssen lediglich gewährte Leistungen und Nutzungen zurückgewährt werden. Nicht hierzu gehört jedoch die Vorfälligkeitsentschädigung, die von Banken und Sparkassen bei der vorzeitigen Kündigung oder der Ablösung eines Darlehens geltend gemacht wird. (Die Vorfälligkeitsentschädigung ist ein finanzieller Ausgleich, den der Kunde an die Bank für die auf Grund der vorzeitigen Beendigung des Darlehensvertrags entgehenden Zinsen zu zahlen hat.

Je nach Höhe des Darlehens, dessen Laufzeit und Zinssatz sowie der bereits erfolgten Tilgung können solche Vorfälligkeitsentschädigungen Beträge bis zu mehreren zehntausenden Euro bei ImmobilienDarlehen umfassen.) Die Rechtsfolgen eines wirksamen Widerrufs sind: Der Kunde muss der Bank die Darlehenssumme ohne Rücksicht auf erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen innerhalb von 30 Tagen zurückzahlen. Deshalb sollte vor dem Widerruf sichergestellt werden, dass die Möglichkeit einer Umschuldung bereits "in trockenen Tüchern" ist. Das Bankinstitut ist zur Rückerstattung aller vom Kunden bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen verpflichtet. Es darf nur die marktüblichen Zinsen für die Zeit der tatsächlichen Kapitalüberlassung verlangen (BGH, Beschluss vom 22. September 2015, Az. XI ZR 116/15).

Darüber hinausgehende gezahlte Zinsen sind dem Kunden zurückzuerstatten. Allerdings muss der Kunde im Streitfall in einem Gerichtsprozess nachweisen, dass die von ihm entrichteten Zinsen über dem Marktüblichen lagen. Die Bank muss ferner die vom Kunden gezahlten Tilgungsleistungen und Zinsen als Nutzungsersatz verzinsen mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz. Soweit sich zurückzuerstattende Leistungen von Bank und Kunde gegenüberstehen, werden sie miteinander saldiert. Durch die Ausübung des Widerrufsrechts, für das sich umgangssprachlich mittlerweile die Bezeichnung "Widerrufsjoker" eingebürgert hat, kann der Darlehensnehmer also erhebliche finanzielle Vorteile erzielen. Angesichts der hierdurch entstandenen Einnahme-Ausfälle ist die Bankenlobby in Berlin nicht untätig geblieben.

Momentan steht wieder einmal eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften zum Widerruf ins Haus, um die EU-Richtlinie 2014/17/EU in nationales Recht umzusetzen. Der Bundesrat hat in einer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf des Bundestags gefordert, die Widerrufsmöglichkeit für Altfälle zu begrenzen. Aus informierten Kreisen ist durchgesickert, dass der Bundestag plant, das gesetzliche Widerrufsrecht für Altfälle bis spätestens zum 21.06.2016 zu begrenzen. Hier sollten Sie als Darlehensnehmer deshalb keine Zeit verlieren. Ich biete Ihnen an, die Widerrufsbelehrung Ihres Immobilen-Darlehensvertrages auf Fehler hin zu überprüfen und Ihre rechtlichen Interessen gegenüber Banken und Sparkassen vor Gericht und außergerichtlich zu vertreten.

von Carsten Neumann

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