Musterfeststellungsklage – Was Verbraucher dazu wissen müssen!

Als Verbraucher hat man oft das Gefühl gegen große Konzerne oder Behörden allein machtlos zu sein. Teure Anwaltskosten, aufwendige Prozesse, unübersichtliche Rechtslagen schrecken viele ab, selbst wenn sie im Recht sind. Genau hier kommt die Musterfeststellungsklage ins Spiel. Sie wurde eingeführt, um Verbrauchern zu mehr Gerechtigkeit zu verhelfen, gerade dann, wenn viele Menschen vom gleichen Problem betroffen sind.
Was ist eine Musterfeststellungklage?
Seit dem 1. November 2018 gibt es in Deutschland die Möglichkeit die Rechte von Verbrauchern gegenüber Unternehmen mit Hilfe einer Musterfeststellungsklage zu vertreten. Die Musterfeststellungsklage ist eine besondere Klageform, die es Verbraucherschutzverbänden ermöglicht, stellvertretend für eine Vielzahl von Betroffenen vor Gericht zu ziehen, also sozusagen ein „Sammelverfahren“.
Die Einführung der Musterfeststellungsklage war ein wichtiger Schritt im Verbraucherschutz. Zuvor mussten Betroffene ihre Rechte einzeln einklagen – oft mit ungewissem Ausgang. Gerade bei kleinen Summen lohnte sich das kaum. Jetzt gibt es eine Möglichkeit für Verbraucher, sich gegen Unternehmen gemeinsam zu wehren.
Wichtig: Du als Verbraucher klagt man nicht selbst, sondern ein anerkannter Verband, zum Beispiel die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
Für wen kommt eine Musterfeststellungklage in Betracht?
Die Musterfeststellungsklage richtet sich an Verbraucher, also Privatpersonen. Unternehmen, Selbstständige oder Freiberufler können nicht an einer Musterfeststellungsklage teilnehmen. Diese Klageform ist besonders dann sinnvoll, wenn viele Verbraucher vom gleichen Schaden betroffen sind, etwa bei fehlerhaften Verträgen, mangelhaften Produkten oder unrechtmäßigen Gebühren, und jeder Einzelne für sich genommen nur einen kleinen Schaden erlitten hat, somit der Aufwand einer Einzelklage sich kaum lohnt.
Ein berühmtes Beispiel für eine Musterfeststellungsklage ist der Diesel-Abgasskandal, bei dem aufgrund der Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes gegen den VW-Konzern eine Entschädigungszahlung für hunderttausende von betroffenen VW-Besitzern bewirkt werden konnte.
Lesen Sie dazu auch unseren informativen Rechtstipp: – „Musterfeststellungsklagen im Diesel-Skandal“.
Es gibt aber eine Reihe von weiteren Lebensbereichen, bei denen eine Musterfeststellungsklage in Frage kommen kann. So etwa bei Finanzdienstleistungen, etwa bei der Kündigung von Bausparverträgen oder unwirksamen Kreditklauseln. Musterfeststellungsklagen können auch bei unzulässigen Erhöhungen der Gebühren von Versorgungsleisten, wie Strom und Gas, erhoben werden oder bei Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordung. Wichtig ist immer, dass eine Vielzahl von Verbrauchern durch eine mögliche Rechtsverletzung betroffen ist.
Wie läuft eine Musterfeststellungklage ab?
Bei einer Musterfeststellungsklage klagt nicht der betroffene Verbraucher, sondern ein Verband. Berechtigt zur Klageerhebung sind Verbraucherverbände mit mindestens 350 Mitgliedern oder 10 Mitgliedsverbänden, die seit mindestens vier Jahren zur Erhebung von Unterlassungsklagen registriert sind und die höchstens zu fünf Prozent von einem Unternehmen finanziert werden. Wichtig ist weiterhin, dass sie Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeiten wahrnehmen, so der Bundesgerichtshof (BGH) (Az. XI ZR 171/19).
Voraussetzung für eine Musterfeststellungsklage ist, dass mindestens 10 Verbraucher vom selben Rechtsfall betroffen sind. Dann hat der Verbraucherverband die Möglichkeit Musterfeststellungsklage vor einem zuständigen Gericht gegen das betroffene Unternehmen zu erheben. Das Gericht veranlasst so dann die öffentliche Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage. Beim Bundesamt für Justiz wird ein Klageregister eingerichtet, in das sich betroffene Verbraucher bis zu einem bestimmten Datum mittels eines Anmeldeformulars eintragen lassen können. Sie erhalten nach ihrer Eintragung eine Bestätigung vom Bundesamt für Justiz.
Das Gerichtsverfahren findet statt, wenn sich innerhalb von zwei Monaten mindestens 50 Betroffene für die Musterfeststellungsklage registriert haben. Im Gerichtsverfahren wird dann geklärt, ob die jeweiligen Streitpunkte zutreffen. Es endet mit einem Urteil oder Vergleich und ist für alle angemeldeten Verbraucher verbindlich. Das Urteil klärt aber nur, ob grundsätzlich ein Anspruch besteht. Als Verbraucher muss man danach selbst aktiv werden, um sein Geld zu bekommen.
Welche Vorteile hat eine Musterfeststellungsklage für Verbraucher?
Eine Musterfeststellungsklage hat für Verbraucher den Vorteil, dass sie ohne das Risiko für Anwalts- oder Gerichtskosten, ihr Recht einklagen können. Das Kostenrisiko trägt der klagende Verbraucherverband. Auch im Fall einer verlorenen Musterfeststellungsklage muss der einzelne Verbraucher nicht für die gegnerischen Gerichts- und Anwaltskosten aufkommen. Verbraucher können ihre Ansprüche einfach und kostenlos im entsprechenden Klageregister anmelden und sind vom weiteren Prozessaufwand verschont.
Kommt das Gericht zur Feststellung einer grundsätzlichen Schadensersatzpflicht, muss der Verbraucher nur noch seinen persönlichen Schaden darlegen – die grundsätzlichen Fragen des Falls sind bereits durch die Musterfeststellungsklage geklärt.
Ein weiterer Vorteil: Mit dem Musterfeststellungsverfahren wird die Verjährung der in Streit stehenden Ansprüche gehemmt. Zur Hemmung der Verjährung von Schadensersatzansprüchen im VW-Dieselskandal hat das Landgericht (LG) Köln (Az. 17 O 185/19) entschieden, dass allein die Anmeldung zum Musterfeststellungsverfahren eine Hemmung der Verjährung von Schadensersatzansprüchen bewirkt – selbst dann, wenn der Betroffene seine Anmeldung später wieder zurücknimmt. Die Hemmung der Verjährung endet laut Gericht erst sechs Monate nach Rücknahme der Anmeldung.
Gibt es für Verbraucher auch Nachteile bei einer Musterfeststellungsklage?
Verbraucher geben mit ihrer Beteiligung an einer Musterfeststellungsklage ihre Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten auf die Dauer und den Inhalt des Verfahrens ab. Sobald sich betroffene Verbraucher im Klageregister eingetragen haben, steht ihnen nicht mehr der Weg einer Einzelklage offen. Sie haben aber die Möglichkeit sich bis zu einem bestimmten Termin wieder aus dem Klageregister entfernen zu lassen, falls sie auf eigene Kappe klagen wollen.
Wird eine Musterfeststellungsklage abgewiesen, dann ist auch dieses Urteil für den beteiligten Verbraucher verbindlich. Er kann die Streitpunkte über die im Musterfeststellungsverfahren entschieden wurde nicht erneut vor Gericht klären lassen.
Bei einem positiven Urteil müssen sie ihre individuelle Forderung doch noch selbst einklagen.
erstmals veröffentlicht am 17.09.2021, letzte Aktualisierung am 21.04.2025
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