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Kategorie: Anwalt Immobilienrecht , 18.03.2024 (Lesedauer ca. 4 Minuten, 28508 mal gelesen)

Was tun bei Überwuchs und Verschattung durch Nachbars Pflanzen?

Was tun bei Überwuchs und Verschattung durch Nachbars Pflanzen? © freepik - mko

Bäume, die das Grundstück verschatten und überhängende Äste sind immer wieder ein Auslöser für Konflikte unter Nachbarn. Doch wie viel Überwuchs muss man dulden und wann muss der Nachbar seine Bäume und Sträucher zurückschneiden? Kann man bei Verschattung des eigenen Grundstücks das Fällen von Bäumen verlangen? Darf man den Überwuchs selbst zurückschneiden? Und muss der Nachbar, der meine Sträucher mit seinem Rückschnitt beschädigt hat, Schadensersatz zahlen?

Wann muss der Nachbar seine Pflanzen zurückschneiden?


Überwuchs und meterhohe Pflanzen, die das eigene Grundstück verschatten, beeinträchtigen das Eigentum und begründen gegenüber dem Nachbarn einen Anspruch auf Beseitigung.

So entschied das Landgericht (LG) Coburg (Az. 33 S 26/08), dass ein Nachbar vier Meter über die Grundstücksgrenze hängende Äste von Fichten und Birken nicht dulden muss. Angesichts des Überhangs von bis zu vier Metern, verbunden mit der dadurch verstärkten Schattenbildung und den herabfallenden Nadeln, Zapfen und abgestorbenen Zweigen, liege eine Beeinträchtigung des Eigentums beim Nachbarn unzweifelhaft vor.

Auch überwucherndes Efeu muss nach einer Entscheidung des Amtsgerichts (AG) München (Az. 241 C 10407/05) vom Nachbarn beseitigt werden, wenn es Schädigungen am Mauerwerk des Nachbarhauses verursacht.

Baumwurzeln, die sich von Nachbars Grundstück auf dem eigenen Grundstück breit machen, und dabei Schäden verursachen, müssen ebenfalls entfernt werden. Der Nachbar muss die Kosten der Beseitigung und der Schadensbehebung tragen, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) (Az. V ZR 99/03).

Verlangt ein Nachbar den Rückschnitt von geschützten Bäumen, weil er eine Solaranlage effektiv betreiben will, muss im konkreten Einzelfall entschieden werden, ob die Nutzung der Solaranlage oder der Erhalt des geschützten Baumes Vorrang hat. Laut Verwaltungsgericht Düsseldorf (Az. 9 K 7173/22) hat der Betrieb der Solaranlage jedenfalls nicht automatisch Vorrang vor dem Schutz des Baumes.

Wie viel Überwuchs vom Nachbarn muss ich dulden?


Den Überwuchs von einer geschützten Rotbuche muss der Nachbar dulden, wenn die Beseitigung der Zweige zur Schädigung des unter Naturschutz stehenden Baumes führen könnte und die Beseitigung nicht aus zwingenden Gründen geboten ist. Entschied das LG Koblenz (Az. 6 S 162/06).

Eine Beseitigung der Bäume, bzw. Äste, kann auch nicht verlangt werden, wenn dem Nachbarn der Rückschnitt der Äste behördlich untersagt wurde und das Grundstück des Nachbarn auch nicht beeinträchtigt wird, so das LG Coburg (Az. 12 O 118/15).

Im Fall eines im öffentlichen Raum stehenden Baumes, der mit seinen überwachsenden Ästen einen Rettungsweg auf einem privaten Grundstück beeinträchtigte, kann der Grundstückseigentümer nicht von der Kommune verlangen den Baum zurückzuschneiden, entschied das Verwaltungsgericht (VG) Berlin (Az. 1 K 190/20). Die Pflicht den Rettungsweg in Funktion zu halten, treffe nicht die Kommune, sondern den Grundstückseigentümer.

Aufgepasst: Vom Nachbarn kann ebenfalls kein Rückschnitt verlangt werden, wenn man sich selbst nicht an die zulässige Heckenhöhe hält, so das LG Koblenz (Az. 13 S 6/20).

In diesem Sinne entschied auch das LG Frankenthal (Az. 2 S 85/23) und schloss einen Anspruch auf Rückschnitt einer Hecke aus, wenn sich der Nachbar selbst nicht an die Regeln hält, in dem seine eigenen Pflanzen auch gegen das Nachbarrecht verstoßen.

Kann ich bei Verschattung meines Gartens die Beseitigung der Bäume vom Nachbarn verlangen?


Ein nachbarrechtlichen Beseitigungsanspruch bei Bäumen, die das Grundstück verschatten, kommt laut BGH (Az. V ZR 229/14) nur in Ausnahmefällen in Betracht. Der betroffene Grundstückseigentümer muss dann aufgrund der Höhe der Bäume einen schweren nicht hinzunehmenden Nachteil erlitten haben. Hieran fehlt es laut Bundesgerichtshof im Fall der 25 Meter hohen Eschen. Die Bepflanzung sei den Rheinhaus-Nachbarn zu zumuten, zumal auch keine ganzjährige Verschattung des Gartens durch die Laubbäume gegeben sei.

Bei Bäumen und Sträuchern, die hinter einer Sichtschutzwand in die Höhe schießen, entschied das AG München (Az. 173 C 19258/09) hingegen, dass diese beseitigt werden müssen, sobald sie den Nachbarn beeinträchtigen.

Wann darf ich den Überwuchs vom Nachbarn selbst zurück schneiden?


Überhängenden Äste darf man nicht einfach selbst abschneiden. Der Nachbar muss vom störenden Überwuchs informiert werden und selbst die Möglichkeit haben für den Rückschnitt zu sorgen. Dafür muss ihm eine angemessene Frist gesetzt werden. Bleibt der Nachbar untätig, darf der betroffene Grundstückseigentümer selbst zur Motorsäge oder Heckenschere greifen oder einen Gartenprofi mit der Beseitigung des Überwuchses beauftragen. Die Kosten muss dann der Nachbar tragen.

So entschied das LG München I (Az.15 S 7927/00), dass der Nachbar selbst zur Heckenschere greifen darf, wenn die Verschattung seines Grundstücks durch den Überwuchs dazu führt, dass auf seinem Grundstück keine Sonne im Sommer zu sehen ist.

Das Selbsthilferecht des Nachbarn geht sogar so weit, dass er überhängende Äste auch dann abschneiden darf, wenn damit die Standfestigkeit des Baumes gefährdet wird oder sogar das Absterben des Baumes droht, so der BGH (Az. V ZR 234/19).

Erhalte ich Schadensersatz vom Nachbarn, wenn er meine Hecke einfach beschneidet oder beschädigt?


Wird eine Hecke an der Grundstücksgrenze einfach vom Nachbarn zurückgeschnitten, muss man sich das nicht gefallen lassen. Der Rückschnitt des Nachbarn kann einen Schadensersatzanspruch begründen. Voraussetzung ist aber, dass nachgewiesen werden kann, welcher Nachbar konkret die Pflanzen beschnitten hat. Ist dies nicht nachweisbar, fällt der Anspruch auf Schadensersatz weg. Es besteht aber ein Anspruch auf Unterlassung, so das LG Hamburg (Az. 311 O 296/21).

Ein Nachbar muss auch keinen Schadensersatz für eine abgestorbene Thuja-Hecke zahlen, die laut LG Frankenthal (Az. 7 O 501/18) nicht abgestorben ist, weil der Nachbar sie jahrelang immer wieder beschädigt hat, sondern weil sie dem Klimawandel zum Opfer gefallen ist.

Aber: Zerstört ein Nachbar einen 70 Jahre alten Baum, kann das teuer werden. So geschehen im Fall einer Grundstückseigentümerin, die ihrem Nachbarn erlaubt hatte ihre in der Nähe der Grundstücksgrenze stehenden Kirschbaum und eine Borke zurückzuschneiden. Der Nachbar griff zur Heckenschwere und stutzte die Birke so, dass kein Blatt mehr an ihr übrig blieb. Den Kirschbaum kürzte er vor der Ernte vollständig ein. Die Grundstückseigentümerin verlangte daraufhin 35.000 Euro Schadensersatz. Das OLG Frankfurt (Az. 9 U 35/23) stellte klar, dass bei einer Zerstörung eines Baumes kein Schadensersatz in Form von Naturalrestitution geleistet wird. Einen Baum in dieser Größe wiederzubeschaffen sei mit enormen unverhältnismäßigen Kosten verbunden. Ausnahmsweise könne aber ein Schadensersatz in Höhe der Wiederbeschaffungskosten gerechtfertigt sein, wenn Art, Standort und Funktion des Baumes den Ersatz durch einen gleichartigen Baum nahe legt. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Grundstückseigentümerin mit den beiden alten Bäumen einen Lebensraum für Tiere und einen Beitrag zur Umwandlung von Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff leisten wollte. Das Oberlandesgericht wies die Klage an das LG Frankfurt zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück.


erstmals veröffentlicht am 06.08.2015, letzte Aktualisierung am 18.03.2024

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