Nachbarschaftsstreit: Was müssen Nachbarn dulden und was nicht?

Das Leben in der Nachbarschaft kann Harmonie und Gemeinschaft bedeuten, aber auch Konfliktpotenzial bergen. Ob laute Musik, Rauch vom Grill oder streunende Katzen: Streitigkeiten unter Nachbarn gehören zu den häufigsten juristischen Auseinandersetzungen im Alltag. Doch nicht alles was stört, ist auch verboten und nicht jede Beschwerde vom Nachbarn ist berechtigt. Doch was müssen Nachbarn dulden und wo ist die Grenze überschritten?
- Wie viel Lärm müssen Nachbarn ertragen?
- Wie viel Belästigung durch Licht müssen Nachbarn hinnehmen?
- In welchem Umfang müssen Nachbarn Gerüche und Rauch im Freien ertragen?
- Was müssen Nachbarn beim Thema Müllentsorgung dulden?
- Muss ein Überbau oder Grenzverletzungen vom Nachbarn geduldet werden?
- Müssen Nachbarn Flugdrohnen über ihrem Grundstück dulden?
- Was muss der Nachbar im Blick auf parkende Autos hinnehmen?
- Können Nachbarn ihren Garten gestalten wie sie wollen?
- Wem gehört Fallobst?
- Müssen nackte Nachbarn im Garten geduldet werden?
- Mit welchen Tieren müssen Nachbarn leben?
- Was gibt es bei der Paketannahmen für Nachbarn zu beachten?
- Wie wehrt man sich gegen unbestellte Warenlieferungen vom Nachbarn?
- Wann steht dem Nachbarn ein Wegerecht zu?
- Wie lassen sich Nachbarschaftsstreitigkeiten vermeiden oder lösen?
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Wie viel Lärm müssen Nachbarn ertragen?
Nicht jeder Lärm ist gleich eine Ruhestörung. Alltagsgeräusche, wie Kinderlachen, Staubsaugen oder ein Rasenmäher zur erlaubten Tageszeit , müssen grundsätzlich geduldet werden.
Lärm
Laute Partys, Hundebellen, Klavierspielen- Lärm vom Nachbarn kann eine massive Belästigung darstellen. Nicht jeden Krach muss der Nachbar ertragen. Ruhestörungen während der Nachtruhe zwischen 22 Uhr und 7 Uhr sind inakzeptabel. Nachbarn, die sich nicht an die Nachtruhe halten, riskieren eine Geldbuße. Bis 22 Uhr muss der Nachbar allerdings den Krach einer Waschmaschine hinnehmen, so das Amtsgericht (AG) Wedding (Az. 9 C 536/03). Auch der Lärm eines Rasenroboters, der ständig im Einsatz ist, muss der Nachbar laut AG Siegburg (Az. 118 C 97/13) dulden.
Kinder-Krach
Anders sieht es bei spielenden Kindern aus. Hier entscheiden die meisten Gerichte pro Kinderlärm und verlangen vom Nachbarn eine großzügige Toleranz. Das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt (Az. 4 K 194/12.NW) entschied etwa, dass der Lärm spielender Kinder auf einem Kinderspielplatz für die Nachbarn zumutbar ist. Hier gelte das bundesweite Gebot einer Toleranzpflicht der Nachbarschaft. Aber: Fällt ein Ball beim Spielen auf Nachbars Grundstück, dürfen die Kinder nicht einfach über den Zaun klettern und den Ball wiederholen. Der Nachbar darf die Herausgabe des Balls aber auch nicht verweigern, um das Spielen zu unterbinden, entschied das Landgericht (LG) München I (Az. 5 O 5454/03).
Lärm von Tieren
Froschgequake aus dem nachbarschaftlichen Gartenteich müssen hingenommen werden, entschied der Bundesgerichtshof (Az. V ZR 82/91). Hahnenkrähen in der Nacht muss der Nachbar hingegen nicht ertragen, entschied das LG München I (Az. 23 O 14452/86). Tagsüber ist das Hühnergegacker in einer ländlichen Gegend vom Nachbarn allerdings hinzunehmen, entschied das LG Koblenz (Az. 6 S 21/19). Das Geschrei von Papageien ist von Nachbarn aber nur zeitlich begrenzt auf 2 Stunden am Tag hinzunehmen, entschied LG Hannover (Az. 16 S 44/08). Auch ständiges Hundegebell muss der Nachbar unterbinden, entschied das VG Trier (Az. 8 L 111/20.TR). Allerdings müssen Hausbesitzer mit dem Besuch einer Nachbarkatze rechnen und diesen auch dulden, entschied das LG Hildesheim (Az. 1 S 48/03).
Wie viel Belästigung durch Licht müssen Nachbarn hinnehmen?
Bei Störungen durch Licht entschied das VG Stuttgart (Az. 13 K 308/14): Ein Nachbar muss ständig wechselnde Leuchtreklame am Nachbarhaus nicht dulden. In reinen Wohngebieten ist eine LED-Leuchtreklame, die Tag und Nacht abwechselnd leuchtet, untypisch. Sie verbreite eine Unruhe und verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
Auch ein Solardach darf Nachbarn nicht blenden, entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf (Az. I-9 U 35/17).
In welchem Umfang müssen Nachbarn Gerüche und Rauch im Freien ertragen?
Grillen im Garten, blühende Pflanzen oder Kocharomen aus dem Küchenfenster gehören als Emissionen zum Alltagsleben. Solange es sich um gelegentliche, ortsübliche Gerüche handelt, sind sie hinzunehmen. Die Immissionen durch einen Holzofen müssen von Nachbarn ertragen werden, wenn dieser den gesetzlichen Normen entspricht und ordnungsgemäß installiert und genutzt wurde, entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Az. 1 A 10876/09.OVG). Den üblen Gestank von Ziegen muss ein Nachbar nicht ertragen, stellt das OLG Bamberg (Az. 5 U 363/20) klar. Hier handelt es sich laut Gericht nicht um eine ortsübliche Emission.
Wer regelmäßig mit starkem Rauch oder penetranten Gerüchen vom Nachbarn belästigt wird, muss sich das nicht gefallen lassen.
Was müssen Nachbarn beim Thema Müllentsorgung dulden?
Stellt ein Hausbesitzer seine Mülltonnen an der Grundstücksgrenze ab, kann das unter anderem zu Geruchsbeeinträchtigungen des Nachbarn führen. Das muss in zumutbaren Grenzen vom Nachbarn ausgehalten werden, entschied das VG Neustadt (Az. 4 K 11/16.NW).
Nicht dulden muss ein Grundstückseigentümer, wenn auf seinem Grundstück vom Nachbarn böswillig Müll entsorgt wird, entschied das AG München (Az. 231 C 28047/10). Der zugemüllte Nachbar hat einen Anspruch auf Unterlassung von der Beeinträchtigung seines Eigentums.
Das gilt auch, wenn ein Nachbar sein Laub über die Grundstücksgrenze zwischen Sichtschutz und Zaun entsorgt, entschied das AG Nürnberg (Az. 23 C 3805/21).
Ab und zu eine Schaufel Schnee zum Nachbarn zu schippen, ist laut AG München (Az. 213 C 7060/17) hingegen erlaubt.
Muss ein Überbau oder Grenzverletzungen vom Nachbarn geduldet werden?
Bauliche Übergriffe wie ein Zaun, der über die Grundstücksgrenze hinausgeht, sind nicht erlaubt. Auch der Überbau mit einer Wärmedämmung an der Außenwand muss vom Nachbarn nicht zwangsläufig geduldet werden, entschied das Bayerische Oberlandesgericht (Az.1 ZRR 4/19). Gibt es Alternativen zu dieser Form der Wärmedämmung, etwa eine Innendämmung der Räume, die mit einem verhältnismäßigen Aufwand betrieben werden kann, muss der Nachbar diese vorziehen.
Übrigens: Grenzsteine müssen leicht erkennbar sein. Hat der Nachbar diese überbaut, muss der Überbau beseitigt werden, so das AG München (Az. 244 C 31256/09).
Müssen Nachbarn Flugdrohnen über ihrem Grundstück dulden?
Wer eine Flugdrohne über das Grundstück seines Nachbars schickt, verletzt dessen Privatsphäre. Dem Nachbarn steht ein Anspruch auf Unterlassung zu, entschied das AG Potsdam (Az. 37 C 454/13).
In Deutschland dürfen Flugdrohnen ohne Erlaubnis des Grundstückseigentümers nicht über Wohngrundstücke fliegen, wenn sie in der Lage sind optische und akustische Signale zu übertragen und/oder auf zu zeichnen.
Was muss der Nachbar im Blick auf parkende Autos hinnehmen?
Wird mehrfach unerlaubterweise vor Nachbars Garage ein Auto abgestellt, muss er dies nicht dulden. Laut einer Entscheidung des AG München (Az. 241 C 7703/09) stellt dies eine Beeinträchtigung seines Besitzes und Eigentums dar und verleiht ihm gegenüber dem Falschparker einen Anspruch auf Unterlassung. Dabei kann der parkende Nachbar nicht verlangen, dass der Eigentümer der Garage bei ihm klingelt und ihn bittet, das Auto wegzufahren.
Nach dem zwei Nachbarn über Jahre hinweg immer wieder Auseinandersetzungen hatten, weil der eine Nachbar sein Auto vor die Grundstückseinfahrt des anderen Nachbarn parkte und dieser daher nur schwer mit seinem Auto auf sein Grundstück fahren konnte, schlossen beide einen vertraglichen Vergleich. Der falsch parkende Nachbar durfte danach bis zu fünfmal am Tag für jeweils 10 Minuten vor der Grundstückseinfahrt parken. Verstößt der Nachbar gegen diesen Vergleich wird für jeden Verstoß eine Vertragsstrafe von 150 Euro fällig. Der Nachbar erstellte daraufhin ein Protokoll, wonach der Falschparker über mehrere Jahre 194 mal gegen den Vergleich verstieß und verlangte eine Vertragsstrafe von 24.000 Euro. Das OLG Dresden (Az. 6 U 580/22) hielt acht Verstöße gegen den Vergleich für bewiesen und verurteilte den Mann zur Zahlung von 1.200 Euro.
Ein Nachbar hat übrigens keinen Anspruch auf Beseitigung eines Behindertenparkplatzes, der sich auf der anderen Straßenseite gegenüber von seinem Wohnhaus befindet, entschied das VG Koblenz (Az. 6 K 569/13.KO).
Können Nachbarn ihren Garten gestalten wie sie wollen?
Grundsätzlich dürfen Grundstückseigentümer ihren Garten gestalten wie sie es wollen. Die Gartengestaltung darf allerdings nicht das Eigentum der Nachbarn beeinträchtigen. So hat das LG Düsseldorf (Az. 25 S 56/21) entschieden, dass eine Nachbarin ein sieben Meter hohes Holzkreuz wieder aus dem Garten entfernen muss, da es aufgrund seiner Höhe eine optische Beeinträchtigung für die Nachbarn sei.
Wem gehört Fallobst?
Fällt Obst oder Nüsse auf Nachbarsgrundstück, darf er diese behalten. Er darf allerdings nicht selbst nachhelfen und etwa an den Ästen rütteln, damit das Obst auf sein Grundstück fällt.
Müssen nackte Nachbarn im Garten geduldet werden?
Ein Mann, der nach seinem Saunagang regelmäßig nackt durch seinen Garten lief, war Anlass eines heftigen Nachbarschaftsstreites. Das Dortmunder LG (Az. 1 S 13/16) entschieden, dass Nachbarn den nackten Anblick ertragen müssen.
Auch Nacktsonnen im Garten ist noch keine Störung des Hausfriedens, urteilte das AG Merzig (Az. 23 C 1282/04).
Mit welchen Tieren müssen Nachbarn leben?
Einige Nachbarn fühlen sich durch freilaufende Haustiere gestört.
Katzen dürfen grundsätzlich frei herumlaufen, solange sie nicht regelmäßig fremde Beete beschädigen oder andere Tiere jagen. Nach einer Entscheidung des LG Lüneburg (Az. 4 S 48/04) sind für einen Nachbarn aber mehr als zwei frei laufende Katzen unzumutbar.
Hunde müssen auf dem eigenen Grundstück oder beim Spaziergang unter Kontrolle bleiben. Ein Nachbar sah sich durch herumlaufende Deutsche Doggen auf seinem Nachbargrundstück bedroht und rief die Polizei. Die Polizei stellte vor Ort fest, dass sich die Hunde aus einem Zwinger befreit hatten und frei herumliefen. Sie standen mit den Vorderpfoten auf der Grundstücksmauer. Die Polizei ordnete an, dass die Hunde zurück in den Zwinger gebracht werden mussten. Die Kosten für den Polizeieinsatz musste der Hundehalter zahlen. Nach Auffassung des VG Neustadt (Az. 5 K 256/11.NW) lag eine Gefahrenlage vor, die ein polizeiliches Einschreiten rechtfertige.
Das Halten von fünf Bienenvölkern verstößt nicht gegen das Gebot der nachbarschaftlichen Rücksichtnahme, entschied der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Az. 5 S 2352/92).
Bei exotischen oder besonders störenden Tieren, wie etwa Hähne oder Pfauen, kann unter Umständen ein Haltungsverbot durchgesetzt werden, wenn die Belästigung für den Nachbarn erheblich ist.
Was gibt es bei der Paketannahmen für Nachbarn zu beachten?
Wird der Empfänger nicht erreicht, geben Paketzusteller die Sendung gerne beim Nachbarn ab. Geregelt ist die Paketabgabemöglichkeit beim Nachbarn meist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Paketzustelldienstleister. Das Oberlandesgericht Köln (Az. 6 U 165/10) hält diese Regelungen für unwirksam, weil der Begriff „Nachbar“ zu unbestimmt sei. Viele Paketzustelldienste lassen sich vom Empfänger eine Vollmacht für die Zustellung beim Nachbarn geben und sind damit auf der sicheren Seite.
Nimmt der Nachbar ein Paket an, haftet er bei Verlust oder Beschädigung, wenn es sich um eine Sendung von Privat handelt. Wurde das Paket von einem Unternehmen verschickt, entfällt die Haftung des Nachbarn.
Wie wehrt man sich gegen unbestellte Warenlieferungen vom Nachbarn?
Wer seinen Nachbarn mit unbestellten Warenlieferungen belästigt, riskiert eine saftige Geldstrafe. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht (Az.2 BvR 1603/06) im Fall eines Nachbarn, der bei mehr als 30 Firmen Waren und Dienstleistungen im Namen seines Nachbarn bestellte. Von Pizzalieferungen, über Apothekenbestellungen bis hin LKW-Ladungen Kies wurden beim Nachbarn angeliefert. Der Nachbar trug von diesen Aktionen gesundheitliche Schäden davon. Das Bundesverfassungsgericht verurteilte den Terror-Nachbarn daraufhin wegen Betrugs und fahrlässiger Körperverletzung zu einer nicht unerheblichen Geldstrafe.
Wann steht dem Nachbarn ein Wegerecht zu?
Nachbarn, die jahrzehntelang das Grundstück eines Nachbarn überquert haben um zu ihrer Garage zu gelangen, haben kein gewohnheitsrechtliches Wegerecht aufgrund der schlichten Duldung des Nachbarn, entschied der Bundesgerichtshof (Az. V ZR 155/18). Ein Wegerecht besteht für die Nachbarn nur, wenn es im Grundbuch entsprechend vermerkt ist.
Wie lassen sich Nachbarschaftsstreitigkeiten vermeiden oder lösen?
Der erste Schritt bei einem Streit mit dem Nachbarn sollte immer das persönliche Gespräch sein. Oft beruhen Konflikte auf Missverständnissen, die sich in einem unaufgeregten Gespräch meist klären lassen.
Hilft ein Gespräch zur Klärung des Nachbarschaftsstreits nicht, gibt es die Möglichkeit mit Hilfe eines Schlichtungsverfahrens vor einer Schiedsstelle den Konflikt zu lösen. Schiedsstellen sind eine kostengünstige und schnelle Alternative zu einem Gerichtsverfahren.
Wenn alle anderen Maßnahmen scheitern, kann gerichtlich eine Unterlassung, Beseitigung oder Schadensersatzforderung gegenüber dem Nachbarn durchgesetzt werden. Hier empfiehlt es sich immer den Rat eines Anwalts einzuholen, der die Erfolgsaussichten einer möglichen Klage rechtssicher einschätzen kann.
erstmals veröffentlicht am 09.06.2015, letzte Aktualisierung am 30.05.2025
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