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Kategorie: Anwalt Arztrecht ,
05.11.2025 (Lesedauer ca. 7 Minuten, 7528 mal gelesen)
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Behandlungsfehler: Wie viel Schadensersatz gibt es vom Arzt?

Schönheitsoperation an der Nase Rhinoplastie Schönheitsoperation an der Nase Rhinoplastie © freepik - mko

Manchmal bleibt die erhoffte Heilung nach einer Operation oder medizinischen Behandlung aus – im schlimmsten Fall verschlechtert sich der Gesundheitszustand sogar. Viele Betroffene fragen sich dann: Könnte ein Behandlungsfehler die Ursache sein? Was ist zu tun, wenn ein solcher Verdacht besteht? Wann muss ein Arzt für Fehler, Schmerzen oder Folgeschäden einstehen und wie können Patienten ihre Rechte erfolgreich geltend machen?

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Wann liegt ein Behandlungsfehler vor?


Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt den allgemein anerkannten fachlichen Standard bei einer medizinischen Maßnahme nicht eingehalten hat. Der Arzt ist verpflichtet den Patienten nach dem aktuellen Facharztstandard zu behandeln.
Wichtig: Der Arzt schuldet dem Patienten keinen Heilungserfolg! Treten nach einer medizinischen Behandlung gewöhnliche Komplikationen auf oder verbessert sich der Gesundheitszustand des Patienten nicht, stellt das alleine keinen Behandlungsfehler dar.
Es gibt mehrere Arten von Behandlungsfehler, etwa Fehler bei der Befunderhebung, Irrtum bei der Diagnose, Therapiefehler oder Fehler in der Organisation eines Krankenhauses oder einer Arztpraxis.

Wie sollten Patienten beim Verdacht auf einen Behandlungsfehler vorgehen?


Beim Verdacht auf einen o.g. Behandlungsfehler empfiehlt es sich Kontakt mit der Krankenkasse aufzunehmen. Gesetzliche Krankenkassen müssen ihre Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen kostenlos unterstützen. Der Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) prüft mittels eines Gutachtens, ob ein Behandlungsfehler vorliegt.
Übrigens: Die Krankenversicherung darf einen Patienten auf vermuteten Behandlungsfehler hinweisen, entschied das OLG Köln (Az. 5 U 26/18).

Wann haben Patienten bei einem Behandlungsfehler Anspruch auf Schadensersatz?


Patienten erhalten Schadensersatz, wenn nachweislich ein Behandlungsfehler vorliegt, ihnen tatsächlich dadurch ein Schaden entstanden ist und der Anspruch auf Schadensersatz noch nicht verjährt ist.

Muss der Patient den Behandlungsfehler nachweisen?


Die Beweislast für einen Behandlungsfehler liegt grundsätzlich beim Patienten. Er muss den Fehler und auch die Folgen nachweisen. Nur im Fall eines groben Behandlungsfehlers oder einer mangelnden ärztlichen Aufklärung wird die Beweislast umgekehrt.

Wie viel Schadensersatz gibt es bei einem Behandlungsfehler?


Die Höhe des Schmerzensgeldes bei Behandlungsfehlern ist nicht gesetzlich geregelt. Sie richtet sich im Einzelfall nach dem Umfang des körperlichen oder psychischen Schadens, der Behandlungsdauer, ob chronische Schmerzen verursacht wurden, wie die Folgeschäden sich darstellen und wie oft der Patient sich im Krankenhaus aufhalten musste. Dennoch können Gerichtsentscheidungen als Anhaltspunkt für die Höhe des Schadensersatzes herangezogen werden.

1.000.000 Euro Schadensersatz für Behandlungsfehler


So wurde einem einjährigen Jungen vom Landgericht (LG) Limburg (Az. 1 O 45/15) ein Schadensersatz von 1.000.000 Euro wegen eines Behandlungsfehlers zugesprochen, weil ihm nach der Einlieferung in ein Krankenhaus ein Port gelegt wurde, weshalb das Kind sich so aufregte, dass es sich an Apfelstücken, die es mit Wissen des Pflegepersonals vorher gegessen hatte, verschluckte und schwerste Hirnschäden aufgrund einer Sauerstoffunterversorgung davontrug. Das Gericht warf dem Pflegepersonal vor, dass sie mit dem Legen des Ports nach dem Apfelessen hätten länger warten müssen.
Eine Million Euro Schadensersatz sprach das LG Göttingen (Az.12 O 85/21) einer Patientin zu, bei deren Geburt im Jahr 2016, Arzt und Hebamme mehrere gravierende Fehler begangen hatten, aufgrund derer die Patientin unter lebenslangen schwersten körperlichen und geistigen Einschränkungen zu leiden hat.
Ein Patient, der ins Koma fiel, weil ein Arzt ein Beatmungsgerät versehentlich statt an der Luftröhre an der Speiseröhre anschloss, bekam vom LG München II (Az. 2 O 6412/10) ebenfalls ein Schmerzensgeld in Millionensumme zugesprochen.

800.000 Euro Schadensersatz für Behandlungsfehler


Ein fünfjähriges Kind erhielt vom Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg (Az. 5 U 196/18) 800.000 Euro Schadensersatz zugesprochen, weil bei seiner Einlieferung ins Krankenhaus Anzeichen für eine lebensbedrohliche Blutvergiftung übersehen wurden, weshalb bei ihm eine Amputation beider Unterschenkel durchgeführt werden muss.
Ebenfalls 800.000 Euro Schadensersatz erhielt eine 17jährige Patientin vom LG Gießen (Az. 5 O 376/18) zugesprochen. Bei der jungen Frau war es während einer Vollnarkose zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff gekommen.

500.000 Euro Schadensersatz für Behandlungsfehler


Ein Patient, bei dem fehlerhaft Solu-Decortin und Diclofenac intramuskulär gespritzt wurde, bekam vom OLG Celle (Az. 1 U 71/17) 500.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen.

300.000 Euro Schadensersatz für Behandlungsfehler


Ein neugeborenes Kind erlitt einen Gehirnschaden, weil die Mutter keine Klingel hatte um das Krankenhauspersonal zu rufen. Das OLG Celle (Az. 1 U 32/20) verpflichtete das Krankenhaus zur Zahlung von 300.000 Euro an das Kind.

250.000 Euro Schadensersatz für Behandlungsfehler


Ein Säugling, bei dem eine Sectio zu spät vorgenommen wurde und er dadurch einen Hirnschaden erlitt, erhielt vom OLG Hamm (Az. 26 U 88/16) 250.000 Euro Schadensersatz zugesprochen.

170.000 Euro Schadensersatz für Behandlungsfehler


Bei einem Patienten musste aufgrund eines Behandlungsfehlers beide Unterschenkel amputiert werden. Das LG Hamburg (Az. 336 O 76/17) sprach dem Mann 170.000 Euro Schmerzensgeld zu.

90.000 Euro Schadensersatz für Behandlungsfehler


Ein Arzt erkannte bei einem Patienten einen Dünndarmverschluss zu spät woraufhin dieser erhebliche Gesundheitsschäden erlitt und 90.000 Euro Schmerzensgeld vom OLG Hamm (Az. 26 U 80/13) zugesprochen bekam.

80.000 Euro Schadensersatz für Behandlungsfehler


80.000 Euro Schmerzensgeld erhält eine Patientin von ihrem Augenarzt, weil sie aufgrund eines Behandlungsfehlers einen wesentlichen Teil ihrer Sehfähigkeit verlor, entschied das OLG Hamm (Az. 26 U 107/15). Der Augenarzt hatte versäumt eine Augeninnendruck- und eine Gesichtsfeldmessung durchzuführen.

70.000 Euro Schadensersatz für Behandlungsfehler


Eine Patientin erhielt ein Schmerzensgeld von 70.000 Euro sowie Schadensersatz, weil ihr Arzt trotz zum Teil heftiger Blutungen aus dem Anus lediglich Hämorrhoiden und eine Analfissur diagnostiziert hatte, ohne eine Darmspiegelung zu machen, entschied das OLG Braunschweig (Az. 9 U 129/15).

50.000 Euro Schadensersatz für Behandlungsfehler


Die Erben einer verstorbenen Patientin, bei der eine Krebserkrankung zu spät vom Arzt erkannt wurde, erhalten aufgrund der Schwere der Erkrankung, des Alters und der Familiensituation der Verstorbenen 50.000 Euro Schmerzensgeld, entschied das OLG Frankfurt/Main (Az. 8 U 142/18).
Die Erben einer an einem zu spät erkannten Hirnstamminfarkt verstorbenen Patientin erhalten 50.000 Euro Schmerzensgeld, so das OLG Hamm (Az. 3 U 122/12). Der behandelnde Arzt hatte es unterlassen einen Neurologen zur Beurteilung der CT-Aufnahmen mit hinzuziehen.

20.000 Euro Schadensersatz für Behandlungsfehler


Ein Frauenarzt haftet auf Schadensersatz in Höhe von 20.000 Euro, weil er einer Patientin, bei der im Jahre 2010 Brustkrebs diagnostiziert wurde, nicht bereits bei der im Jahre 2008 durchgeführten Krebsvorsorgeuntersuchung zu einem Mammographie-Screening geraten hatte, so das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (Az. 3 U 57/13).

15.000 Euro Schadensersatz für Behandlungsfehler


15.000 Euro Schmerzensgeld muss ein Arzt einer Patientin zahlen, bei der er zu spät eine kernspintomografische Untersuchung anordnete und deshalb einen Tumor übersah, entschied das OLG Hamm (Az. 3 U 166/13).
Ein Augenarzt schuldet einem Patienten 15.000 Euro Schmerzensgeld, nachdem er eine Netzhautablösung zu spät erkannt und den Patienten, anstelle ihn frühzeitig an einen Augenchirurgen zu überweisen, zu lange mit Laserkoagulationen behandelte. Der Patient verlor daraufhin auf einem Auge 90 % seiner Sehkraft. Das hat das OLG Hamm (Az.26 U 28/13) entschieden.

10.000 Euro Schadensersatz für Behandlungsfehler


10.000 Euro Schmerzensgeld erhielt eine Patientin vom OLG Stuttgart (Az. 1 U 145/17) zugesprochen, weil ein Arzt bei einer Operation eine OP-Nadel in ihrem Bauchraum vergaß.

8.000 Euro Schadensersatz für Behandlungsfehler


Unterlässt es ein Chirurg während einer Operation einer Schultereckgelenksprengung vor der Anbringung der Schrauben die Bohrung mittels intraoperativer Bildgebung zu überprüfen und werden die Schrauben deshalb zu nah am Gelenk gebohrt, ist dies ein ärztlicher Behandlungsfehler. Dem Patienten wurden in einem Arzthaftungsprozess 8.000 Euro Schmerzensgeld zu gesprochen (OLG Hamm, Az. 26 U 152/13).

Wie können Patienten bei einem Behandlungsfehler Schadensersatzforderungen durchsetzen?


Wer vermutet, Opfer eines Behandlungsfehlers geworden zu sein, sollte schnell, aber überlegt und strukturiert vorgehen. Erster Schritt bei einem Verdacht auf einen Behandlungsfehler ist zunächst die Behandlungsunterlagen vom Arzt oder Krankenhaus anzufordern. Als Patient hat man ein Recht auf die Einsicht in die eigene Krankenakte. Auch sollten alle Befunde, Arztberichte, Medikamentenlisten, Entlassungspapiere und eigene Notizen gesichert und aufbewahrt werden. Im nächsten Schritt empfiehlt es sich eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung einzuholen. Sie kann helfen, den Verdacht zu bestätigen. Auf jeden Fall sollten Sie sich frühzeitig die Unterstützung durch einen Anwalt für Medizinrecht einholen. Er kann die Erfolgsaussichten Ihres Falles aufgrund seiner Erfahrung und Expertise einschätzen und hilft Ihnen mit rechtssicherem Rat sowohl bei der außergerichtlichen als auch bei der gerichtlichen Durchsetzung Ihrer Patientenrechte.
Bevor Klage eingereicht wird, können Patienten ein kostenloses außergerichtliches Verfahren bei einer ärztlichen Schlichtungsstelle oder Gutachterkommission der Ärztekammer beantragen. Die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern helfen in vielen Fällen, eine Einigung zu erreichen und teure und langwierige Gerichtsprozesse zu vermeiden. Das Gutachten kann später auch als Beweismittel vor Gericht dienen.
Wenn eine gütliche Einigung scheitert, bleibt der Weg über das Zivilgericht. Dem Patienten bleibt die Option seine Schadensersatzforderungen vor Gericht einzuklagen. Je nach Streitwert vor dem Amts- oder Landesgericht. Vorschüsse auf die Gerichtskosten und die Gutachterkosten müssen vom beweislasttragenden Patienten bezahlt werden. Wer wirtschaftlich nicht in der Lage ist einen Arzthaftungsprozess zu finanzieren, kann bei Gericht einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen.
Patienten können bei einem nachgewiesenen Behandlungsfehler verschiedene Ansprüche geltend machen, unter anderem Schmerzensgeld für erlittene körperliche oder seelische Schmerzen, Ersatz materieller Schäden, wie Verdienstausfall, zusätzliche Heilbehandlungskosten oder Pflegekosten, Haushaltsführungsschaden, wenn der Alltag dauerhaft eingeschränkt ist oder Zukunftsschäden, wenn eine dauerhafte Beeinträchtigung oder Pflegebedürftigkeit bleibt.
Die Höhe des Schmerzensgeldes richtet sich nach dem Ausmaß der Verletzung, der Dauer der Beeinträchtigung und der Schwere des Fehlers.

Wann ist ein Behandlungsfehler verjährt?


Schadensersatzansprüche bei Behandlungsfehlern verjähren nach drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Abschluss des Jahres, in dem der Patientin Kenntnis vom Behandlungsfehler erlangte oder dies grob fahrlässig nicht tat, zu laufen. Die Verjährungsfrist kann etwa durch einen Antrag auf ein Schlichtungsverfahren bei einer Schlichtungsstelle oder das Einreichen einer Klage gehemmt werden.

Arzthaftungsprozess: Brauche ich einen Anwalt?


Bei einem Arzthaftungsprozess ist die Unterstützung durch einen fachkundigen Anwalt dringend anzuraten. Er kennt sich in allen rechtlichen Fragen rund um das Thema Behandlungsfehler bestens aus und kann Sie kompetent und erfahren beraten. Ein Anwalt prüft, ob ein Behandlungsfehler gegeben ist sowie ob und in welcher Höhe Sie einen Schadensersatzanspruch haben. Er vertritt Sie bei allen außergerichtlichen Verhandlungen, etwa mit der Haftpflichtversicherung des betroffenen Arztes, sowie vor Gericht.
Wichtig zu wissen: Bei einem Rechtsstreit um einen ärztlichen Behandlungsfehler darf ein Gericht sich nicht einfach auf einen Beweisantrag eines Anwalts hinwegsetzen und auf das Einholen eines Sachverständigengutachtens verzichten, wenn es nicht nachweisen kann, dass es die erforderliche Sachkunde besitzt, das stellt der BGH (Az. VI ZR 244/21) klar.

erstmals veröffentlicht am 09.01.2020, letzte Aktualisierung am 05.11.2025

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