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Kategorie: Anwalt Versicherungsrecht , 21.05.2024 (Lesedauer ca. 5 Minuten, 13076 mal gelesen)

Wann gibt es Schadensersatz bei misslungenem Tattoo?

Tätowiermaschine in Hand mit schwarzen Handschuhen Tätowiermaschine in Hand mit schwarzen Handschuhen © freepik - mko

Falsches Motiv, unleserlich, verlaufen oder mit Rechtschreibfehlern: Beim Stechen eines Tattoos geht immer mal wieder was schief, sehr zum Ärger des Kunden. Doch wann ist ein Tattoo misslungen? Wann haben Kunden bei einem mangelhaften Tattoo Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz? Wer haftet, wenn sich das Tattoo entzündet oder andere Gesundheitsschäden verursacht? Wer muss das Entfernen eines misslungenen Tattoos zahlen? Und ist eine fehlerhafte Tätowierung eine strafbare Körperverletzung?

Wann ist ein Tattoo misslungen?


Zwischen Kunde und Tätowierer wird ein Werkvertrag geschlossen, der ordnungsgemäß vom Tätowierer ausgeführt werden muss. In erster Linie muss der Tätowierer sich an die Wünsche des Kunden halten. Von einer nicht ordnungsgemäßen Ausführung des Werkvertrags wird ausgegangen, wenn andere Farben, Buchstaben, Motive als vereinbart verwendet wurden. Ein mangelhaftes Tattoo kann aber auch vorliegen, wenn etwa die Buchstaben des Tattoos unterschiedlich groß gestochen wurden, oder wenn die Buchstaben unleserlich oder zu eng aneinander gestochen wurden, oder wenn einheitliche Linien unterschiedlich breit sind, oder wenn die Linienführung verwackelt ist, oder wenn die Farben des Tattoos verlaufen sind.

Muss ich dem Tätowierer die Chance zur Nachbesserung eines misslungenem Tattoo geben?


Ist das Tattoo schief gegangen, stellt sich die Frage, ob der Kunde dem Tätowierer einen Nachbesserungsversuch mit all den damit verbundenen Schmerzen und Strapazen gewähren muss.

Laut AG München (Az. 213 C 917/11) ist ein schiefes Tattoo ein handwerklicher Mangel, den der Tätowierer nachbessern darf. Erst wenn ihm das nicht gelingt, steht dem Kunden ein Anspruch auf Schadensersatz für das misslungenen Tattoo zu.

Anders eine Entscheidung des OLG Hamm (Az. 12 U 151/13): Ein Kunde muss sich bei einem unscharfen Tattoo, das aufgrund des Stechens der Farbe in zu tiefe Hautschichten entstanden ist, nicht auf einen Nachbesserungsversuch des Tätowierers einlassen. Stattdessen steht ihm sofort ein Schmerzensgeld zu.

Wann habe ich Anspruch auf Schmerzensgeld nach einem verpfuschten Tattoo?



Eine Frau ließ sich auf ihren linken Unterarm folgenden Schriftzug stechen: „Je t´aime mon amour, Tu es ma vie, Nous Ensemble Pour Toujours, L. ♥ A.“. Mit dem Ergebnis war sie allerdings äußerst unzufrieden. Ihrer Ansicht nach arbeitete der Tätowierer handwerklich nicht korrekt. Das Tattoo sei unscharf, nicht deutlich zu lesen, uneinheitlich groß und schief. Sie beabsichtigt das Tattoo langfristig wieder entfernen zu lassen und verlangte für die dabei entstehenden Schmerzen vom Tätowierer Schmerzensgeld. Zu Recht, entschied das Amtsgericht (AG) München (Az. 132 C 17280/16) und verurteilte den Tätowierer zur Zahlung von 1.000 Euro Schmerzensgeld und Rückzahlung der Tattoo-Rechnung in Höhe von 100 Euro. Ein Sachverständigengutachten habe die handwerkliche Mangelhaftigkeit des Tattoos bestätigt. Der Schriftzug sei uneinheitlich, schief und unscharf. Diese Qualität müsse die Kundin nicht hinnehmen.

Das AG Augsburg lehnte hingegen die Forderungen einer Kundin, deren gestochenes Tattoo unscharf war, auf Schmerzensgeld und Schadensersatz ab. Die Frau hatte sich die Namen ihrer beiden Kinder mit deren Geburtsdaten auf ihren Arm tätowieren lassen. Mit dem Ergebnis zeigte sich die Kundin nicht zufrieden. Die Buchstaben seien unscharf und nicht zu erkennen und insgesamt sei das Tattoo ungleichmäßig gestochen. Sie verlangte vom Tattoo-Studio ihr Geld zurück sowie die Kosten für das Entfernen des Tattoos und Schmerzensgeld. Zu Unrecht, urteilte das Gericht. Das Tattoo sei nach seiner Fertigstellung völlig in Ordnung gewesen, dies zeige auch ein Foto auf Facebook. Das im Heilungsprozess die Farben verlaufen können, sei der Frau vor der Tätowierung vom Tattoo-Studio mitgeteilt worden.

Ebenso urteile das AG Gelsenkirchen im Fall einer Frau, bei deren Tattoo kurz nach dem Stechen die Farbe verlief. Der Tätowierer muss laut Gericht keinen Schadensersatz oder Schmerzensgeld leisten, weil die Frau sich nicht an seinen Hinweis hielt, Sonnenbäder nach einer frischen Tätowierung zu vermeiden.

Löst sich ein sogenanntes Bio-Tattoo nicht nach einer bestimmten Zeit auf, muss das Tattoo-Studio der Kundin Schadensersatz und Schmerzensgeld leisten, entschied das OLG Karlsruhe (Az. 7 U 125/08). Die Kundin musste sich das Bio-Tattoo letztlich weglasern lassen.

Cover-Up: Wann erhalte ich Schmerzensgeld bei einer mangelhaften Überarbeitung eines alten Tattoos?


Gefällt ein altes Tattoo nicht mehr kann man es entweder entfernen oder mit einem sog. Cover-Up überarbeiten lassen. Entspricht das Ergebnis des Cover-Up nicht den Vorstellungen des Kunden, muss es sich um eine mangelhafte Überarbeitung handelt, damit ein Schadensersatzanspruch entsteht – reines Nichtgefallen reicht nicht.

Dies erfuhr ein Tattoo-Kunde, der mit seiner Klage vor dem LG Köln (Az. 4 O 94/19) gegenüber seinem Tätowierer scheiterte, weil er mit seinem Cover-Up nicht zufrieden war. Laut Gericht und Sachverständigen hat der Tätowierer fachgerecht gearbeitet. Er habe den Kunden vor dem Cover-Up daraufhin gewiesen, dass die vom Kunden vorgelegte Vorlage nicht eins zu eins umgesetzt werden könne. Auch hygienische Mängel bei der Behandlung konnte der Kunde nicht nachweisen.

Wer haftet bei einem Tattoo für nachträgliche Hautinfektion?


Tritt nach einer Tätowierung eine entzündliche Hauterkrankung beim Kunden auf, muss das Tattoo-Studio dafür nicht unbedingt haften. Dies zeigt folgender Fall vor dem Landgericht (LG) Coburg (Az.11 O 567/10): Bei einer Kundin trat sechs Monate nach der Tätowierung eine entzündliche Hautveränderung auf, die operativ entfernt werden musste. Der Frau hätte laut Gericht bekannt sein müssen, dass nach einer Tätowierung ein Infektionsrisiko der Haut besteht. Darüber musste das Tattoo-Studio sie auch nicht noch mal explizit aufklären. Das Hygieneregeln missachtet oder die Farbe falsch angewendet wurden, konnte die Frau nicht nachweisen.

Dürfen Tattoo-Studios misslungene Tattoos wieder entfernen?


Ab Ende 2020 dürfen Tattoos und Permanent Make-Up nicht mehr in Tattoo-Studios, sondern nur noch durch Ärzte mit einer Laserbehandlung entfernt werden. Dies ergibt sich aus einer neuen Verordnung zur Modernisierung des Strahlenschutzgesetzes.

Auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Az. 7 L 2665/20) stellt in einer Entscheidung klar, dass die Entfernung von Tattoos in Form einer Laserbehandlung seit Ende 2020 nicht mehr von Heilpraktikern, sondern nur noch von Ärzten, vorgenommen werden darf.

Wann zahlt die Krankenkasse das Entfernen eines Tattoos?


Versicherte haben grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihre Krankenkasse eine Laserbehandlung zur Entfernung eines Tattoos bezahlt. Auch dann nicht, wenn das missratene Tattoo beim Tätowierten Depressionen hervorruft, entschied das Sozialgericht (SG) Stuttgart (Az. S 27 KR 916/16). Das betroffene Tattoo wirke im zu entscheidenden Fall nicht entstellend und sei leicht mit Kleidung zu bedecken. Depressionen geben dem Versicherten einen Anspruch auf entsprechende therapeutische Behandlung, aber nicht auf Eingriffe in den ansonsten gesunden Körper, so das Sozialgericht Stuttgart.

In einem anderen Fall, erhält eine Frau, die von ihrem Zuhälter zur Prostitution und zu einer Tätowierung am Hals mit den Initialen der Täter gezwungen wurde, die Kosten für die Entfernung dieses Tattoos von der Krankenkasse erstattet. Dies entschied das SG Düsseldorf (Az. S 27 KR 717/16) und stellt in seinem Urteil klar, dass hier ausnahmsweise um eine Krankenbehandlung vorliege. Mit der Tätowierung werde die Frau als Opfer einer Zwangsprostitution erkannt. Dies führe bei ihr zu posttraumatischen Belastungsstörungen und sei damit anders zu beurteilen, als das Entfernen eines Tattoos, das nicht mehr gefällt.

Wann ist Tätowieren eine strafbare Körperverletzung?


Wer einem anderen Menschen mit einer Nadel in die Haut sticht, begeht eine Körperverletzung. Diese ist aber nicht strafbar, wenn die betroffene Person vorher ihr Einverständnis für diese Behandlung gegeben hat. So ist das laut OLG Hamm (Az. 12 U 151/13) auch im Fall einer Tätowierung. Allerdings kann der Tätowierer trotz Einwilligung des Kunden eine Körperverletzung begehen, wenn er ein mangelhaftes Tattoo gestochen hat. Der Kunde hat laut Gericht seine Einwilligung nur für ein mangelfreies Tattoo erteilt. Seine Einwilligung bezieht sich nie auf ein mangelhaftes Tattoo.




erstmals veröffentlicht am 29.08.2018, letzte Aktualisierung am 21.05.2024

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